Brusatti, Otto
Fest auf A.
Ein Franz-Schubert-Roman
Der erste Eindruck täuscht, das unauffällige Buch mit gängigem Schubert-Porträt obenauf ist nicht der zu erwartende Roman zwischen Sachbuch und romantisch gefärbter Künstlerbiografie. Anstatt uns ins 19. Jahrhundert zu entführen, hält uns der Autor mit vielen banalen Alltagsdetails in der Gegenwart fest.
Auf Schloss A. versammelt sich eine bessere Gesellschaft zum Tafeln und Ausschweifen am Wochenende, man reist mit dem Auto an. Unter den Gästen befindet sich auch Franz Schubert; er sagt nicht viel und hält sich eher abseits, aber seine Anwesenheit soll die Veranstaltung kulturell aufwerten, es steht in Aussicht, dass er musizieren wird. Zwischen Sauna, Spaziergängen und Fußballspielen debattiert man typische, die Gemüter der heutigen Wohlstandswelt erhitzende Themen von Abtreibung über die allgemeine Ignoranz angesichts drohender Katastrophen bis hin zur Verantwortung der Gesellschaft für sogenannte Sozialschmarotzer, z.B. Künstler. Ohne vermittelnde Zwischenpassagen schraubt der an vielen Stellen drehbuchartige Text Wortmeldungen hintereinander, die einen Diskurs zum jeweiligen Thema erstehen lassen, ohne dabei Individuen zu zeichnen.
Das Provokante an diesem Komponistenroman liegt aber vor allem in der Abwesenheit seiner Titelfigur. Der Autor spielt mit der Erwartung des Lesers an einen nicht greifbaren Schubert, der nur selten, in wenigen Szenen ins Bild gesetzt wird.
Tatsächlich gibt es für die Feierlichkeit im Roman ein reales Vorbild: eine gleich mehrere Wochen andauernde Gesellschaft auf Gut Atzenbrugg in der Nähe von Wien 1821. Der Verwalter des Schlosses, Joseph Derffel, hatte seinen Neffen Franz von Schober und dessen Freundeskreis, darunter auch Schubert, dorthin eingeladen. So beruht der Personenkreis des Romans neben anderen Details auf genauer Recherche des Autors, was dem Kenner beim Entdecken Vergnügen bereitet.
Es wird viel unterhaltsame Musik gehört auf Schloss A. vor allem Musik, die weit nach Schuberts Lebzeiten entstanden ist. Immer wieder bauen sich so virtuelle Spannungen zwischen Eindrücken Schubertscher Musik und modernen Klängen aus der Konserve auf. In der Sauna hören die Schlossgäste in aufgeheizter Stimmung Ravels Boléro, anderswo Musik von James Last oder den Beatles. Sehnlich erwartet wird der Augenblick, an dem Schubert endlich seine Musik vorträgt. Gespielt wird sein Quintett für Klavier, Violine, Viola, Cello, Klarinette nach langen Beschreibungen des Stücks gibt es auf Seite 158 sogar noch einen kleinen Schnipsel aus dem Manuskript (im 5/4-Takt!), der jedoch den Autor des Romans als tatsächlichen Urheber dieser für den Leser imaginierten Musik verrät.
Otto Brusatti, Jahrgang 1948, langjähriger Redakteur von Kultursendungen im österreichischen Rundfunk, ist bereits mit mehreren belletristischen Publikationen hervorgetreten. Fest auf A. ist originell in Idee und Form und gespickt mit literarischen und musikalischen Anspielungen für Insider. Ein experimenteller Roman in seinem Genre, nur über Schubert erfährt man nicht allzu viel.
Anja Kleinmichel