Eichhorn, Andreas

Felix Mendelssohn Bartholdy

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: C. H. Beck, München 2008
erschienen in: das Orchester 02/2009 , Seite 61

Felix Mendelssohn Bartholdy war zweifellos eine der Persönlichkeiten der Musikwelt des 19. Jahrhunderts. Die Liste seiner Verdienste ist gleichermaßen lang wie beeindruckend und seine Musik heute kaum aus Kirche und Konzertsaal wegzudenken. In der Reihe „Wissen“, einer Sammlung mono- und biografischer Kurzdarstellungen kultureller und naturwissenschaftlicher Inhalte, fehlte sein Name bislang; und so lieferte Andreas Eichhorn rechtzeitig zum nahenden Mendelssohn-Jahr einen handlichen Abriss über einen Musiker, der weit über seine Zeit hinaus eine enorme künstlerische Ausstrahlung besitzt. Im Stil einer soliden Werkeinführung rollt der Autor, der bislang u .a. über den Elias publizierte, Mendelssohns bemerkenswert geradlinigen Lebensweg auf, wobei er sich neben einer stringenten biografischen Darstellung noch gerade soviel Zeit nimmt, um ästhetische Aspekte knapp, aber punktgenau zu beleuchten. Im Grunde ist das Werk eine akkurate Zusammenfassung all jener Ereignisse und Zusammenhänge aus dem Leben des erfolgsverwöhnten Kosmopoliten, die man über den „Mozart des 19. Jahrhunderts“ (Robert Schumann) wissen sollte – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Mendelssohn wollte vor allem als Komponist in Erinnerung bleiben, nicht als Dirigent, Pianist oder Initiator richtungweisender Institutionen. Dass sein Schaffen aber nicht nur auf den kreativen Aspekt beschränkt werden kann, ist bekannt. Ausgehend von einer ausgezeichneten, im Rahmen einer Kurzbiografie aber etwas zu langen, kulturhistorischen Positionsbestimmung der Familie Mendelssohn zentriert Eichhorn naturgemäß weite Teile der musikalischen Romantik um den Protagonisten seiner Biografie sowie dessen Familie und den illustren Freundeskreis der Mendelssohns. Zahlreiche Zitate zeichnen Mendelssohns Wirkung auf sein musikalisch-soziales Umfeld illustrativ nach, sodass die Darstellung stilistisch lebendig und gut lesbar geraten ist. Kleine Schwächen offenbaren dabei formale Aspekte.
Eichhorn beschreibt greifbar Mendelssohns Stil und dessen musikalisch-künstlerisches Verständnis – nur leider zu selten. Dafür wird unverhältnismäßig viel Raum für Dinge wie Herkunft und Wandlung des Familiennamens freigehalten. Anregung zur Diskussion geben sicher auch Bemerkungen zur Ästhetik der Programmmusik und Mendelssohns Vorreiterrolle, indem ihm als erstem eine schlüssige Verbindung von poetisch aufgeladenem musikalischen Ausdruck mit klassischen Formen geglückt ist, was in Bezug auf Weber und natürlich Beethoven zumindest unvollständig ist.
Kurz, aber beachtlich ist wiederum das Kapitel über die Rezeptionsgeschichte, wobei sich der Autor über weite Strecken auch mit Kritik gegenüber Mendelssohn auseinandersetzt und zuweilen auch eigene Anschauungen einfließen lässt. Das hier vermittelte Mendelssohn-Bild enthält letztlich zwar keine neuen Schattierungen, sondern – und das ist die Stärke von Eichhorns Darstellung – es führt an alle Facetten des Musikers schlüssig heran und regt eine eigene Beschäftigung mit dem Musiker, seinem Werk und dessen Entstehungszeit an.
Tobias Gebauer