Klein, Hans-Günter (Hg.)
Felix Mendelssohn Bartholdy
Ein Almanach
Rechtzeitig zum Mendelssohn-Jubiläumsjahr hat Hans-Günter Klein, langjähriger Leiter des Mendelssohn-Archivs der Berliner Staatsbibliothek und Editor zahlreicher Studien zu Leben und Werk des Komponisten, einen schön gestalteten und sehr ansprechend gedruckten Almanach herausgegeben. Zu jedem Tag des Jahres wird ein zumeist beziehungsreiches Dokument von oder über den jüdischen Musensohn wiedergegeben, wobei die äußerst vielfältige Auswahl an Quellen manche Entdeckung bereithält, ohne auf Wesentliches zu verzichten.
Dadurch, dass Briefauszüge, handschriftliche Textdokumente, Notenautografe und gedruckte Texte der Zeit datumsgebunden veröffentlicht werden, entsteht ein immer wieder reizvoll ungeordnetes Bild von Mendelssohns Leben und Schaffen, das zum ziellosen Stöbern ebenso einlädt wie zum systematischeren Durchsehen einzelner Themenstränge. So wie Porträts der einzelnen Familienmitglieder nämlich jeweils unter dem Geburtsdatum zu finden sind, sind auch manche Bilder, nicht nur von dem talentierten Komponisten selbst, sondern vielfach auch vom Schwager Wilhelm Hensel gemalt, einzelnen Inhalten der Texte zugeordnet, etwa den Italien- und Englandreisen oder den verschiedenen Lebensstationen.
Mitunter steuert der Herausgeber auch selbst einen Beitrag über die Familienmitglieder bei, z.B. über den Vater Abraham. Knappe, aber kenntnisreiche einleitende Kommentare helfen weitgehend, den Kontext der wechselnden Themen und Dokumentsorten richtig einzuschätzen. Manchmal folgt die Aufschlüsselung von Personen allerdings erst an späterer Stelle innerhalb des Kalendariums und vereinzelt bleiben Textinhalte und altertümliche Formulierungen noch erläuterungsbedürftig. Auch verzichtet Klein vielfach darauf, die weniger bekannten Autoren der verschiedenen Erinnerungsschriften über Mendelssohn vorzustellen, obwohl ihr Verhältnis zum Komponisten ja mitunter wichtig zu kennen wäre für eine korrekte Einschätzung ihrer Äußerungen.
Für den weitergehend Interessierten hält der Almanach allerdings ein wirklich beeindruckendes Quellenverzeichnis vor, das den Band nebst Kurzchronologie, Personen, Orts‑, Werk- und Sachregister sehr benutzerfreundlich ergänzt. Auch wiegen die vorgebrachten kleineren Einwände leicht gegen den ästhetischen und Erkenntnisgewinn einer solchen aus der Fülle der Kennerschaft des Herausgebers schöpfenden Zusammenstellung. Dass man sich nach der Lektüre von einzelnen Briefen oder Konzertprogrammen über die schon konzeptionell vorhandenen versteckten und offenen Bezüge hinaus immer wieder einmal wünscht, auch noch die Briefantwort bzw. die passende Uraufführungsrezension zu lesen, ist ja nicht das Schlechteste, was man über diesen immer aufs Neue zur Lektüre verlockenden Almanach sagen kann.
Jörg Rothkamm