Bastian, Hans Günther / Gisela Steffens

Faszination Musik

Zwischen Beruf und Berufung

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Millenium TV GmbH/Schott, T 9025
erschienen in: das Orchester 02/2009 , Seite 67

Diese DVD versammelt eine gute Handvoll Musikerbiografien, ausgewählt nach der vor 20 Jahren gestellten Diagnose „musikalisch hochbegabt“, 2008 fernsehtauglich aufbereitet als filmische Dokumentation zu dem Forschungsprojekt „20 Jahre später – Was ist aus ihnen geworden? Eine Langzeitstudie (1985-2005) zu Berufskarrieren von musikalisch hochbegabten Jugendlichen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die sechs Musiker stehen für unterschiedliche Ausprägungen des Weges vom „Karrieretraum“ zur „Traumkarriere“. Für vier von ihnen führte das Musikstudium in den Musikerberuf; sie wurden Pianist, Kirchenmusiker, Hochschullehrer, Orchestermusiker, wobei der Booklettext eine nachdenkenswerte Reihenfolge andeutet und meint, vor der „Berufung“ stehe der „Beruf“. Zwei von ihnen studierten gleich etwas anderes und wurden Ärztin oder wurden voller Bedenken trotz sich anbahnender Karriere Kraftfahrzeugmechaniker.
Wie spannend wäre es gewesen, diesen Berufungs-Gedanken etwa an dieser Persönlichkeit oder auch an der des hier ebenfalls vorgestellten Organisten Christoph Bull festzumachen. Sein Musikerleben (Jugend mit Rock und Orgel, Organist in Hollywood, Orgelprofessor in Los Angeles, Promotion über die Beatles) gäbe Anlass, plastisch zu berichten über das allgegenwärtige, weitgefächerte, sinnliche und emotionale Wesen von Musik.
Hier nun geht man den Weg über die Plauderei. Zwar wird man gewahr, dass unsere Musiker immer auch Wahrheitssucher sind, aber das bleibt doch dem eher Beiläufigen verhaftete, wie sich denn auch eine Probenszene mit Ricardo Muti auf klischeehafte di-dadada-Gesinge beschränkt. Überhaupt dienen die musikalischen Anteile des Features etwas beliebig zur musikalischen „Bebilderung“. Wie wichtig wäre es, wenn nachgebohrt worden wäre, wie denn die Karriere des Lars Vogt von „Leuten“ und vom „Glück“ abhing, als ihn sagen zu hören, dass Musik „alles ausdrückt“. Und warum man ihn seinen Mozart so „vom Blatt“ fingern ließ, dass er sich nur feixend aus der Affäre „schlich“, wäre auch zu fragen. Der Fernseher dunkel und viele Fragen offen!
Wenn der Posaunist Thomas Horch für zwei Stunden in die Hauptschule geht und die Kleinen erst Töne blasen lässt, sind die Kinder friedlicher, weil sich ihnen jemand neu und anders zuwendet. Dass Musik per se friedlich macht, wird indes hartnäckig vermutet, obwohl die unfriedliche Welt auch dort, wo Musik gemacht wird, dem widerspricht. Wenn Lars Vogt vom seltenen Glück der Freiheit beim Musikmachen spricht, wenn der Klarinettist Ralph Manno davon spricht, dass Musik in der Lage ist, die „Sinne zu verfeinern“, dann gehört das zu den wichtigen, aber flüchtigen Antworten auf die offenen Fragen.
Der Film hat dezidiert eine Zielgruppe: Er „will vor allem junge Menschen ansprechen, ihnen Mut machen, ihre Liebe zur Musik zu bewahren“, er will „vermitteln […], was es zu bedenken gilt, um Erfolg zu haben, er will „Einsichten vermitteln […], warum wir Musik als kulturelle Botschaft in Tönen dringender denn je brauchen“. Große Ziele, die er nicht erreichen kann. Schade, ein großes Thema, kein großer Wurf.
Günter Matysiak