Kruse-Weber, Silke (Hg.)

Exzellenz durch differenzierten Umgang mit Fehlern

Kreative Potenziale beim Musizieren und Unterrichten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: das Orchester 06/2013 , Seite 62

„Es ist vom Anfang des Unterrichts an bis zum Konzertauftritt wichtig, das Selbstvertrauen des Schülers zu fördern, Freiräume zu schaffen und ihn auch in Widerspruch zum Lehrer treten zu lassen. Leider werden hier große Fehler begangen, selbst von prominenten Musikpädagogen, die gar nicht bemerken, dass sie mit ständiger Kritik das Selbstvertrauen ihrer Studenten zerstören. Auch die Einstellung zu Fehlern ist bedeutsam. Wenn ein Fehler als persönliche Niederlage interpretiert wird, schleicht sich schon beim Lernen im stillen Kämmerlein die Angst mit ein…“
Dieses Zitat von Gerhard Mantel zu Beginn des Buchs führt mitten in das Thema hinein. Eine ständige Bewertung als richtig oder falsch, welche einen zentralen Aspekt der traditionellen Musikerziehung darstellt, mit der sich Generationen von Musikern und Sängern auseinandersetzen mussten, kann zu angstbesetztem Spiel im Unterricht und zu Auftrittsängsten und Blockaden führen. Die Beiträge dieses Buchs wollen, unterstützt durch Erkenntnisse aus musikpädagogischen und lerntheoretischen Forschungen, dazu beitragen, eine „positive Fehlerkultur“ zu entwickeln, und so einer Einstellung, in der Fehler als persönliches Versagen erlebt werden, entgegenwirken. „Wer Fehler im Lernprozess zulässt, zugibt und systematisch aus ihnen lernt, ist kreativer, innovativer und erfolgreicher“, heißt es in der Einleitung.
Diese Veröffentlichung setzt sich aus Beiträgen zu einem gleichnamigen Symposion zusammen, welches im November 2011 in Graz stattgefunden hat. Die Qualität vieler Beiträge ist hoch, u.a. derjenigen von Maria Spychiger oder Gerhard Mantel, manche Beiträge sind durch die Bezugnahme auf eine Vielzahl von anderen Autoren oder die umfängliche Darstellung theoretischer und ästhetischer Grundlagen für weniger wissenschaftlich Interessierte schwer lesbar. Die Fallbeispiele aus der Unterrichtspraxis von Silke Kruse-Weber vermitteln wieder einen sehr anschaulichen Einblick in die didaktische Umsetzung. Der Beitrag zum „Erwartungsdruck im Orchesteralltag“ von Manuel von der Nahmer beschreibt sehr zutreffend das Spannungsfeld zwischen Perfektionsanspruch und anderen Bedingungsfaktoren in der Orchesterarbeit.
Es ist ein Verdienst dieser Veröffentlichung, dass auch Bezüge zu Qualitätsmanagement, zu Innovationsmanagement oder zur „lernenden Organisation“ gemacht werden, die weit über die Bearbeitung von individuellen Fehlern hinaus weisen. Offene Kommunikation und Selbstreflexion stellen nicht nur produktive Kriterien im Umgang mit eigenen Fehlern dar, sondern verweisen auch auf Kommunikationsprozesse, die z.B. im Orchesteralltag (Stichwort Feedbackkultur) zu weniger angstbesetztem Spiel beitragen können. Dieses Buch leistet insgesamt wichtige Beiträge zu einem wichtigen Thema und ist Instrumentalpädagogen und professionellen Musikern zu empfehlen.
Ralf Pegelhoff