Pierné, Gabriel / Philippe Gaubert / Gabriel Fauré

Extase

Werke für Violine und Klavier

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Thorofon CTH2600
erschienen in: das Orchester 12/2013 , Seite 81

Zwei Menschen sitzen auf einem edlen Sofa, nebeneinander in gebührendem Abstand, so als hätten sie nichts miteinander zu tun. Das Cover der ersten CD mit der Geigerin Anna Sophie Dauenhauer und ihrem Duopartner Lukas Maria Kuen irritiert. Man muss zweimal hinsehen und rätselt sofort, was dieses kühl arrangiert wirkende Bild wohl bedeuten könnte. Und wenn man dann noch den Titel Extase hinzu nimmt, der sich links oben in die Bildecke verirrt hat, gerät man vollends auf die falsche Fährte. Dann will man es wissen. Was hat die Verpackung bloß mit dem Inhalt zu tun?
Hat man die CD erst einmal gestartet, erklärt sich alles wie von selbst. Hier spielen zwei Musiker in größtem Einvernehmen zusammen, und auch der Begriff Ekstase wird plötzlich mit Inhalt gefüllt in einem Programm, das nicht alltäglich ist: Werke von drei französischen Komponisten, von denen zwei im deutschen Sprachraum nicht besonders bekannt sind, formieren sich zu einer spannenden Dramaturgie. Gabriel Piernés Violinsonate op. 36 und Philippe Gauberts Quatre Esquisses (Vier Skizzen), von denen die erste den Titel Extase trägt, sind Raritäten. Das dritte Werk, die Violinsonate op. 13 von Gabriel Fauré, ist dagegen ein Klassiker des Repertoires für Violine und Klavier. Eine CD mit französischer Spätromantik vom Feinsten also.
Anna Sophie Dauenhauer, die u.a. bei Ulf Hoelscher und Ingolf Turban studierte, ist offensichtlich eine geigerische und musikalische Naturbegabung. Sie hat sich bereits vielseitig als Orchester- und Kammermusikerin sowie als Solistin profiliert und diverse Violinwettbewerbe für sich entschieden. In dieser Aufnahme präsentiert sie sich als eine großartige Musikerin. Ihr Spiel hat etwas Selbstverständliches, es wirkt so organisch, fließend und sprechend. Dauenhauers Ton singt und blüht. Wenn man es klischeehaft und ganz simpel ausdrucken wollte: Er ist einfach „schön“. Da klingt alles wunderbar rund und klar, bestimmt in der Artikulation, aber nie aggressiv oder forciert. Und Dauenhauers Vibrato besitzt eine geradezu ideale Schwingung, nicht zu kurz und nicht zu weit, nicht zu langsam, nicht zu schnell, stets variabel. Der Ton atmet, ganz natürlich und frei. Gleich im ersten Satz der Sonate von Pierné ist der weite Ausdrucksradius, über den die junge Geigerin verfügt, sehr gut dargestellt. Das wiegende „Allegretto tranquillo“ trägt den Hörer dann weiter und davon.
In ihrer Gesamtheit vermitteln diese Interpretationen ein Gefühl von Proportion, Harmonie und Stimmigkeit. Natürlich könnte man alles auch „anders“ machen. Anna Sophie Dauenhauer und Lukas Maria Kuen, die gestalterisch kongenial an einem Strang ziehen, haben sich für einen der vielen möglichen Wege entschieden, für ein Konzept, das musikalisch von der ersten bis zur letzten Note trägt. Man darf gespannt sein, wie sich die beiden Künstler weiterentwickeln werden. Dieses Debüt klingt nach mehr…
Norbert Hornig