Mozart, Wolfgang Amadeus

Europa-Konzert from Prague

Symphony No. 35 "Haffner"/Symphony No. 36 "Linz"/Piano Concerto No. 22/Horn Concerto No. 1

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: EuroArts 2055308
erschienen in: das Orchester 07-08/2007 , Seite 83

Seit 1991 geben die Berliner Philharmoniker alljährlich ein Europa-Konzert an immer wieder anderen Orten von historischer Bedeutung. Im vorigen Mozart-Jahr wählten sie mit Bedacht als Spielort für ein reines Mozart-Konzert Prag, denn dort konnte der Komponist seine größten Triumphe feiern. Im eher intimen Ständetheater war sein für Prag geschriebener Don Giovanni uraufgeführt worden, und in eben diesem Theater spielten nun auch die Philharmoniker.
Die Räumlichkeit gebot eine Verkleinerung der Besetzung – mit dem Erfolg, dass der Aufnahmetechnik ein sehr transparentes Klangbild mit klaren Bläserstimmen und „trockener“ Pauke ohne störenden Nachhall gelang. Zu den nur zwei Kontrabässen hätte aber ruhig noch ein weiterer hinzukommen können. Auf dieser DVD präsentiert sich Daniel Barenboim mit einem souveränen Dirigat – hellwach, einsatzgenau, mal ausgreifend, mal das Metrum nur andeutend, glücklich in der Tempowahl und stets auf Klangbalance bedacht. So kommt das Eingangs-Allegro der „Haffner“-Symphonie erfreulich locker, und das Andante wird liebevoll ausmusiziert. Das Menuetto wirkt noch etwas „höfisch“, doch genau beim Wort genommen ist das Schluss-Presto – auch und besonders bei den dramatischen Mollstellen.
Als Solist im Klavierkonzert KV 482 mit der langen, fast festlichen Einleitung macht Barenboim mit vorbildlich klarem, von der Technik perfekt eingefangenen Spiel deutlich, wie genial der einfallsreiche und oft virtuose Solopart mit dem Orchestersatz verwoben ist. Das gilt einmal für den prächtigen Kopfsatz und das wiegende Rondo-Finale; den tiefsten Eindruck hinterlässt jedoch sein Eintauchen in die seelischen Abgründe der Mollwelten im Andante. Seine überaus fantasiereiche Kopfsatz-Kadenz ist beinahe eine Welt für sich.
Der andere Solist des Europa-Konzerts ist der hoch renommierte Radek Baborák, seit 2003 Solohornist der Berliner Philharmoniker. Mit edlem und sicherem, eher schlankem und ansatzfreiem Ton kostet er die melodischen Schönheiten in den beiden Sätzen des Hornkonzerts aus, das technisch einiges fordert. Einfühlsam und rhythmisch elegant mitgehend begleitet ihn Barenboim mit dem bestens aufgelegten Orchester.
Den Adagio-Beginn der in unfasslich kurzer Zeit entstandenen Linzer Symphonie zelebriert er fast, um dann im Allegroteil durch das richtige moderate Tempo den feinen Stimmensatz offenzulegen. Mit „sprechendem“ Dirigat und zarten Piani betont er die Sanglichkeit des Andante, ehe er das Menuetto mit seinem köstlichen Trio sehr taktbetont gibt. Das funkelnde Finale kann vollkommener kaum gespielt werden. Die aufmerksame, nervöse Schwenks bewusst vermeidende Bildregie ließ sich denn auch den Schlussjubel des Publikums nicht entgehen.
Joachim Stiehr