Widmann, Jörg

Es war einmal …

Fünf Stücke im Märchenton für Klarinette, Viola und Klavier, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2016
erschienen in: das Orchester 11/2016 , Seite 63

„Fünf Stücke im Märchenton“ lautet der Untertitel des Trios für Klarinette, Viola und Klavier. Inspiriert vom Es war einmal… der Märchen, so Widmann im kurzen Vorwort, machte er sich an diese Komposition. Der Pianist benötigt zusätzlich ein Plektron, eine Münze und „ein Stück Faden“, um für unkonventionelle Klänge zu sorgen.
Los geht es, hinein in eine märchenhaft schöne Klangwelt! Lebhaft startet der erste Satz („Es war einmal…“). Wie eine notierte Kadenz klingt die erste Klarinettenkantilene, die mit der Viola ein schönes Duett bildet. Das Klavier wirft immer wieder eine Figur aus drei Sechzehnteln ein, begleitet die beiden anderen als selbstbewusster Partner und steuert Harmonie und Polyfonie dazu.
Bald schon wird es flott und technisch vertrackt. Hier muss sauber gearbeitet werden, damit die vielen Elemente und Vorschläge nicht zu einem hübschen Klangbrei verkochen. Flatterzunge und Glissandi sowie ein paar andere Techniken der Neuen Musik sorgen für weitere Klangmöglichkeiten. Widmann schreibt Tempi und Ausführung sehr genau vor, nichts bleibt der Intuition der Musiker überlassen. Technisch ist es anspruchsvolle, erstklassige Spielmusik mit viel Expressivität.
„Fata Morgana“ heißt der zweite Satz – und führt uns musikalisch in das sagenhafte Reich der fliegenden Teppiche. Widmann fordert ausdrücklich, „wie in einem orientalischen Märchenland“ zu spielen. Der gesamte Satz atmet diese schöne Klangwelt, die drei Musiker lösen einander in scheinbarer Improvisation ab, manchmal besteigen sie sogar gemeinsam den schillernd schwebenden Klangteppich. Auch das Klavier darf ein paar Arabesken intonieren – herrlich.
„Eishöhle“ heißt der kurze dritte Satz – man will sich ja auch nicht verkühlen. Widmann zeichnet in
so plastischen Farben, dass man unwillkürlich das gleißende Licht des Eises zu sehen vermeint. Das Klavier sorgt hier mit wenigen Tönen für klirrende Kälte, Klarinette und Viola werfen jedoch nur sparsam Töne ein, die allesamt nicht konventionell gespielt werden. Plektron, Faden und Münze kommen jetzt ins Spiel. Ein lauter, hoher Ton im Klavier (c””), herausstechend wie ein Eiszapfen, beendet diesen Satz.
„Von Mädchen und Prinzen“ erzählt der vierte, schnelle Satz. Ob am Ende das Mädchen den Prinzen bekommt, sei vorerst dahingestellt. Deshalb werfen sich Klarinette und Viola elegant Töne zu, flirten allerliebst im Pianissimo, ergänzt vom Klavier. Gegen Ende gönnt Widmann ihnen (fast) unisono eine Kantilene. Na also! „Und wenn sie nicht gestorben sind“, klingt auch noch der letzte Satz märchenhaft. Ruhig und lyrisch, sehr leise, beginnt das Klavier, Klarinette und Viola folgen sehr bald. Es wird noch ruhiger, sanft und leise verklingt die Suite; fast meditativ in der Wirkung, den Musikern eine ganze Menge sicheres Pianissimo im Wechsel mit lauteren Stellen abfordernd.
Widmann hat hier wunderschöne Musik vorgelegt, die allerdings die virtuose Beherrschung der Instrumente voraussetzt.
Heike Eickhoff