Stiller, Barbara
Erlebnisraum Konzert
Prozesse der Musikvermittlung in Konzerten für Kinder
Beim Lesen dieses trotz seines wissenschaftlich hohen Anspruchs sehr verständlich geschriebenen Buchs spürt man in jeder Zeile: Die Autorin schreibt über ihr Thema, für das sie bis ins kleinste Detail einen erfahrenen Blick hat. Aufgeworfene Fragestellungen und Beobachtungen zeigen, dass sie selbst als Künstlerin und Pädagogin über jahrelange Praxis in der Konzertpädagogik verfügt. Dies fließt glücklich mit einer Beherrschung des wissenschaftlichen Handwerks zusammen. Barbara Stiller gelingt es, in ihrer Dissertation einen wissenschaftlich begründeten Zugang für die Konzeption von Konzerten für vier- bis sechsjährige Kinder überzeugend darzustellen.
Ausgehend von einem interdisziplinär verstandenen Begriff der Musikvermittlung leitet sie für die Praxis umsetzbare Gestaltungsmöglichkeiten ab, fasst wesentliche Merkmale von Kinderkonzerten für diese Altersgruppe zusammen und stellt drei Thesen einer gelungenen Musikvermittlung in Konzerten für Vorschulkinder auf, die dann in einem weiteren Schritt auf ihre Validität empirisch untersucht werden. Dafür bedient sie sich einer komplexen Methodenkombination aus quantitativen und qualitativen Verfahren. Als Untersuchungsgegenstand dient die Konzertreihe Concertino Piccolino für Vorschulkinder in Detmold, die als Einzelfall Modellcharakter hat. Ziel ist es, Qualitätskriterien einer gelungenen Musikvermittlung für diese Altersgruppe herauszuarbeiten.
Als Instrumentarium wird die Splitscreenanalyse benutzt. Mit zwei typengleichen Mini-DV-Kameras werden alle Konzerte aus immer den gleichen Perspektiven aufgezeichnet: Die eine Kamera ist auf das Bühnengeschehen gerichtet, die andere auf das Publikum. Dieses in der konzertpädagogischen Forschung erstmalig angewandte Verfahren ermöglicht es der Autorin, als stille, nicht teilnehmende Beobachterin in allen untersuchten sechs Konzerten die jeweiligen Aktionen und Reaktionen vergleichend zu analysieren. Das konkrete methodische Vorgehen erfolgt mit einer Systematik und treffsicheren Fragestellungen, die jeder Konzertpädagoge unbedingt in sein Repertoire aufnehmen sollte.
Wer selbst Konzertveranstaltungen für Vorschulkinder plant, kann an diesem Buch nicht vorübergehen! Empfohlen sei die Lektüre jedoch auch denjenigen, die Konzerte für ältere Kinder planen, erweitern doch die zahlreichen praktischen Anregungen und theoretischen Reflexionen den Blick und das kritische Hinterfragen des eigenen Tuns. Es ist zugleich ein Plädoyer für die Verantwortung der Veranstalter gegenüber dem Publikum.
Ich wünsche diesem Buch eine breite Leserschar und vor allem Auswirkungen auf die Professionalität von Kinder- und Familienkonzerten!
Ulrike Schwanse


