Schachtner, Johannes X.

Epitaph

für Violine

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Sikorski, Hamburg 2011
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 70

Allzu geläufig dürfte er noch nicht sein, der Name Johannes X. Schachtner. Gerade einmal 26 Jahre alt ist der junge Münchner und steht damit noch ziemlich am Beginn seiner musikalischen Karriere. Schachtners erstes Musikinstrument war die Trompete, später folgte das Klavier. Zusätzlich ließ er sich in München durch Hans-Jürgen von Bose, Rudi Spring und Jan Müller-Wieland in Tonsatz und durch Bruno Weil im Dirigieren ausbilden. So steht denn auch neben dem Komponieren das Dirigieren im Mittelpunkt seiner musikalischen Tätigkeit. Er hat u.a. Produktionen am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz und am Stadttheater Augsburg geleitet und mit einer ganzen Reihe renommierter Orchester und Solisten zusammengearbeitet.
Der Komponist Schachtner schrieb Auftragswerke u.a. für die Bayerische Staatsoper (Opernfestspiele 2007), die Hamburger Klangwerktage, die Bamberger Symphoniker, das Siemens Arts Program und die Bayerische Akademie der Schönen Künste. Seine zahlreichen Auszeichnungen schließen Stipendien des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg und der Cité Internationale des Arts in Paris ein. Spätestens mit der Aufnahme seiner Werke in die „exempla-nova“-Reihe der Edition Sikorski dürfte der Durchbruch als Komponist geglückt sein.
Vor Kurzem ist hier die Miniatur Epitaph für Geige allein erschienen, über die Schachtner schreibt: „Im Juli 2007 regte der Geiger Rudens Turku an, ein Stück für Solovioline zu schreiben. Zu dieser Zeit entstanden Skizzen, die besonders von zwei Eindrücken beeinflusst waren: zum einen aus der vorangegangenen Analyse der Matthäus-Passion, zum anderen aus Eindrücken eines Bachwochen-Stipendiums in Ansbach. So entstand ein einsätziges, expressives Solostück, das einerseits der barocken Klangrede Bachs nachhört, andererseits aber auch die klanglichen Möglichkeiten der E-Saite der Violine auslotet.“
Eine lebendige, kontrastreiche, von einem stark gestisch geprägten Ausdruckswillen dominierte Musik ist diese rhapsodische Grabinschrift (wobei sich mir die Bedeutung des Titels Epitaph nicht ganz erschließt: Ist das rein assoziativ zu verstehen oder gibt es einen latenten, aber konkreten Bezug?). Auf engstem Raum werden Motive, Farben, Spieltechniken, Affekte gegeneinander gesetzt und dem Geiger reichlich Möglichkeiten zum Display seiner farblichen Palette und seiner expressiven Fähigkeiten geboten, sei es col legno, am Steg, flautando, durch Bartók-Pizzicato, pizzicato mit links, molto vibrato, unter Zuhilfenahme von Vierteltönen und durch die Einbeziehung erkennbarer Motivzitate aus der Partita in h-Moll von Bach und der Solosonate von Bartók (innerer Nachklang eines Solovortrags des Widmungsadressaten Rudens Turku?).
Ich könnte mir Epitaph gut als Zugabe nach einem passenden Violinkonzert vorstellen. Es muss ja nicht immer Bach, Paganini und Ysaÿe sein, oder?
Herwig Zack