Pintscher, Matthias
en sourdine
Musik für Violine und Orchester, Studienpartitur
Eine Partitur, die feine Nuancen des Klanglichen anbietet und eine breite Palette an Klangfarben zeigt. Zwischen harten, hämmernden und fast unhörbaren, ganz zarten Klängen wird auch Vielfalt im dynamischen Bereich erzielt. Zwischen strengem Zeitmaß mit festem Tempo und festem Metrum und freien Passagen senza misura gibt es Übergänge, etwa in der Art, dass Tempo und Metrum zwar fixiert, dennoch aber flexibel zu handhaben sind an Stellen wie Io stesso tempo, ma poco liberamente. senza misura oder tempo giusto e flessibile. Accelerandi und Ritardandi sowie zahlreiche Fermaten von unterschiedlicher Dauer tragen dazu bei, dass der Orchesterklang beweglich bleibt.
En sourdine ist Frank-Peter Zimmermann gewidmet. Zunächst mag dieses Werk vielleicht wie ein Violinkonzert auftreten. In dieser Musik für Violine und Orchester aber tritt das konzertierende oder konzerthafte Element eher zurück; vielmehr scheint es so zu sein, dass das Orchester der Solovioline einen Resonanzraum schafft, in dem der Violinklang weiter schwingt, in dem andere Klänge nachschwingen und mitschwingen. Dies ist z.B. sehr gut an einer Stelle zu hören (Takt 267 ff.), an der der Klang der Solovioline zunächst mit Einzelinstrumenten aus den beiden Streichergruppen, dann mit Einzelinstrumenten aus den Perkussionsgruppen, mit den beiden Harfen und Klavieren und anderen Instrumenten aus den Streichergruppen in Verbindung tritt. Es entsteht, hier auch vor allem durch die Spielanweisungen molto flautato und tasto, eine traumhafte und irreale Welt (molto irreale come da lontano, molto misterioso). Solcherart akustische Traumwelten werden auch an anderen Stellen geschaffen; manchmal nehmen die Instrumente den Charakter von Stimmen an, die flüstern, wispern, atmen.
Holz- und Blechbläser sind stark, aber nicht ungewöhnlich besetzt (3 Flöten 2. auch Piccolo, 2 Oboen 2. auch Englisch Horn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott; 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Kontrabasstuba). Eine eigene Gruppe bilden vier Schlagzeuger mit einem außergewöhnlichen und sehr differenzierten Instrumentarium, eine weitere Gruppe formiert sich aus zwei Harfen, zwei Flügeln und wiederum zwei Schlagzeugern; die Streicher schließlich sind in zwei große Gruppen eingeteilt, die jeweils aus acht Violinen, vier Violen, vier Violoncelli und vier Kontrabässen (Fünfsaiter) bestehen. Durch das Divisi-Spiel der Streicher entsteht eine nuancierte Klanglichkeit, welche diejenige der Solo-Violine gleichsam multipliziert.
Das Orchesterwerk, im Auftrag der Berliner Philharmoniker komponiert, verlangt dem einzelnen Spieler Präzision ab; Einsätze sind sehr genau koordiniert. An anderen Stellen ist das Zusammenspiel loser, wenngleich nicht weniger präzise organisiert zu denken ist hier z.B. an die Mobiles im Schlussteil, variable Elemente, die frei kombiniert werden können.
Eva-Maria Houben