Liese, Kirsten

Elisabeth Schwarzkopf

Vom Blumenmädchen zur Marschallin

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Molden, Wien 2007
erschienen in: das Orchester 03/2008 , Seite 56

Denkt der Opernfreund an Elisabeth Schwarzkopf, so denkt er an die Marschallin. Kaum eine andere Gesangskünstlerin wird so unmittelbar mit einer Opernpartie assoziiert wie die große Sopranistin mit jener Figur in Richard Strauss’ Rosenkavalier. Aber sie war weit mehr als das. Kirsten Liese stellt in ihrem Bildband die Diva ohne Starallüren auch als faszinierende Liedsängerin, bedeutende Pädagogin und vielseitig gebildete Menschenfreundin dar.
Bezaubernd schön, elegant, empfindsam, perfektionistisch und großzügig – auf diese Attribute stößt der Leser immer wieder, wenn er Stimmen präsentiert bekommt, die Persönlichkeit und Erscheinung Elisabeth Schwarzkopfs beschreiben. Von großer Achtung und Verehrung geprägt sind die Nachrufe aus den Federn berühmter Kollegen wie Thomas Hampson und Brigitte Fassbaender. Den Haupttext, der in deutscher und englischer Sprache vielen prächtigen Seiten mit zum Teil erstmals veröffentlichten privaten Schnappschüssen, professionellen Bühnenfotos und Starfotografien vorangestellt ist, nennt Kirsten Liese mit Recht „eine Hommage“. Die Autorin durfte die von der britischen Königin geadelte Sängerin selbst anderthalb Jahre vor ihrem Tod im August 2006 zwei Tage lang in privater Atmosphäre und unterrichtend begleiten. Und so erfährt der Leser nicht nur etwas über ihre einzelnen Stationen, angefangen von ihrem Debüt als Blumenmädchen in Wagners Parsifal über zahllose Auftritte auf den Opernbühnen der Welt bis hin zu Ausflügen ins Filmgeschäft. Er nimmt auch teil an spannenden menschlichen und künstlerischen Begegnungen, bekommt das Selbstbild, das Elisabeth Schwarzkopf von sich hatte, detailliert vermittelt und erwirbt schließlich ein Gefühl dafür, warum sie die Grande Dame der Opernwelt geworden ist: Güte gepaart mit Forderung, Talent vereint mit Selbstdisziplin, persönliche Ausstrahlung verbündet mit absoluter Werktreue.
Das Buch in die Hand zu nehmen macht auch insofern viel Spaß, als dass es auf langwierige Chroniken verzichtet. Kirsten Liese hat den Blick aufs Wesentliche gelenkt, wählte exemplarische Situationen aus, um die Künstlerin, aber auch den Menschen Elisabeth Schwarzkopf näher zu bringen. Manches wichtige Ereignis ist in Fototexten dokumentiert. Besonders originell sind auch die fotografisch festgehaltenen Szenenfolgen aus Opernaufführungen, die durch das Abdrucken der gerade relevanten Dialogtexte gut eingeordnet werden können.
Und noch eine Künstlerin wird in diesem Band gewürdigt: Lillian Fayer, gebürtige New Yorkerin, aber beruflich beheimatet in Wien, ist eine der ersten Fotografinnen in Europa, die Sängerinnen mit Hollywood-Glamour im besten Sinne ablichtete. Sie wurde ebenfalls von Kirsten Liese interviewt. Ihre Arbeiten bilden den Kern des Fototeils, aber sie hat als langjährige Vertraute Elisabeth Schwarzkopfs auch Wissenswertes über die Sopranistin beigesteuert. Ein Buch nicht nur für Elisabeth Schwarzkopf-Fans, sondern für jeden, der die Opernwelt und hochwertige Fotos liebt.
Sabine Kreter