Pröve, Bernfried E. G.

Elektronische Musik I

The Wind-Machine/Es-Trace II/Arietta/Les Cloches Transfigurées/Dies-Transfiguration/aufsteigend - sich bewegen/Hommage à Satie/Alliages-Métaboles

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Composer's Art Label cal 3015
erschienen in: das Orchester 11/2006 , Seite 99

Zarathustra zu Gast bei den Rheintöchtern: Die Arietta für Flöte, Oboe, Horn und Elektronik lässt vermuten, dass die an dem Treffen Beteiligten einander herzlich zugetan sind! Pröves Klangmixturen sind auf eine wunderbare Weise pathetisch: Wagner und Strauss hätten als elektroakustische Wiedergänger zweifellos ihre helle Freude an dieser Komposition!
Überhaupt erstaunt bei Pröve die offenkundige und durchaus begrüßenswerte Rückkehr des Pathos in die Musik: Im Unterschied zu anderen „Elektronikern“ seiner Zunft, deren Schöpfungen oft kaum mehr sind als nüchtern konstruierte Kopfgeburten, können Pröves Windmaschine, die Cloches Transfigurées oder seine Dies-Transfiguration den Hörer einfach nicht kalt lassen.
Die vorliegende, exzellent aufgenommene CD umgreift einen ansehnlichen Zeitraum aus Pröves kompositorischem Schaffen. Das älteste Stück aufsteigend – sich bewegen für Tonband aus dem Jahr 1987 ist ein Werk des damals 24-jährigen Nachwuchskomponisten, in dem er mit hohen Beckenklängen und einem „Glöckchenmuster“ arbeitet, wie es in anderer Tonlage auch in Les Cloches Transfigurées vernehmbar wird.
The Wind-Machine für Bassklarinette und Tonband, in der Pröve dem Wind die verschiedenartigsten Klangfarben ablauscht und verfremdet, rauscht und heult, flüstert und haucht, schluchzt und pfeift es sich durch eine schier unendliche Melodielandschaft. Es-Trace II verbindet zwei voneinander entfernt aufgestellte Flöten mit einem Tonband und verspiegelt sie miteinander – die einzige der hier versammelten Kompositionen, die ungeachtet einiger interessanter Klangmixturen einen etwas flachen Eindruck hinterlässt.
Les Cloches Transfigurées für 1/16-Ton-Klavier und Elektronik ist in gewisser Weise ein Gegenstück zur Windmaschine, insofern es über weite Strecken hinweg an eine Art „kosmisches Meeresrauschen“ denken lässt, untermalt von dem monoton-lugubren Klang, wie ihn zuweilen orthodoxe Kirchenglocken entfalten. In Dies-Transfiguration für Posaune und Tonband „transfigurieren“ die Tonbandklänge aus dem Hauptakkord. In diesen hinein ziseliert das Soloinstrument sein Muster, wobei Mike Svoboda als Solist Außerordentliches und Unerhörtes in des Wortes unmittelbarster Bedeutung leistet.
Alliages-Métaboles für vier Instrumente und Elektronik entstand in der Zeit von 1995 bis 1996 in Paris. Der Komponist präsentiert uns hier eine eminent gegenwärtige Klangwelt, indem er uns teilhaben lässt am Inneren eines so genannten Formanten (wie man die im Spektrum eines Instruments auftretenden verstärkten Obertöne nennt). Pröves Intention, seine Zuhörer „in eine rauschhaft-sinnliche Klangwelt zu entführen“, muss man anhand vorliegender CD jedenfalls als gelungen bezeichnen!
Friedemann Kluge