Meischein, Burkhard

Einführung in die historische Musikwissenschaft

mit Beiträgen von Tobias R. Klein

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Dohr, Köln 2011
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 65

Die Frage danach, was überhaupt in das Fachgebiet der Historischen Musikwissenschaft falle, ist – so sagt es Burkhard Meischein einleitend – eindeutig nicht zu beantworten. Musikgeschichtsschreibung werde immer wieder neu bestimmt durch die Tätigkeit der Wissenschaftler selbst. Für diese Grundbedingung des Fachs bzw. die daraus abzuleitende gleichsam konstruktivistische Leistung, die eben auch von Studienanfängern verlangt wird, will der Autor mit seiner Einführung sensibilisieren.
Unter drei Akzentsetzungen stellt er hilfreiches Orientierungswissen zur Verfügung. Eingangs geschieht das in Form eines Überblicks über „Lernkonzepte und Arbeitstechniken“. Wobei sich hier neben wahrlich verzichtbaren Selbstverständlichkeiten ausgesprochen klärende Hinweise finden – etwa unter den Stichworten „Musikwissenschaftliches Argumentieren“ oder „Modelle historischen Erklärens“, damit ein Nachdenken über das Warum-und-Wozu des eigenen wissenschaftlichen Arbeitens anregend.
Im Mittelteil stellt der Band dann unter der (eher verengenden) Kapitelüberschrift „Methoden und Modelle“ übergreifende Konzepte innerhalb fachbezogener Forschung zusammen. Diese Art Zugriff überzeugt unmittelbar, weil kulturwissenschaftliche Fragestellungen explizit integriert werden und so die Perspektive auf das Fach sich öffnet. Indes kaum nachvollziehbar bleibt, warum zu den Stichworten „Epoche“, „Positivismus“ und „Theorie“ keinerlei weiterführender Literaturhinweis erscheint.
Im Schlusskapitel schließlich präsentiert Burkhard Meischein (auf insgesamt 100 Seiten!) ein fachsystematisch gegliedertes Verzeichnis ausgewählter Literatur. Es unterläuft dem Inhaltsverzeichnis allerdings ein Gliederungsfehler: Personen- und Sachregister sind als letzte Unterkapitel dem dritten Hauptteil eingefügt. Wenn hier zuletzt durch willkürliche Akzentsetzungen u.a. vermeintlich „wichtige“, „musikhistorisch bedeutende Werke“ in Form von „Repertoireliste und Hörkanon“ sowie „biografisch orientierte Titel“ in alphabetischer Ordnung zusammengestellt werden, dann rechtfertigt dies denn doch ein eher zweischneidiges Fazit: Anspruch und Anlage dieser Einführung im Selbstverständnis eines Handbuchs sind zwar durchaus einsichtig und vor allem pragmatisch ausgerichtet. Und auch für die Öffnung eines eher engen Grundverständnisses des Fachs
gibt es – vor allem im Mittelteil – einzelne Anhaltspunkte. Gleichwohl fallen einschränkend die doch merklich unscharfen Bemerkungen zu Umgang mit zeitgenössischer Musik auf. Und – letztendlich noch gravierender – signalisieren Formulierungen wie „konkrete Bildungsvoraussetzungen“, „gewisses Maß an kultureller und historischer Allgemeinbildung“ oder „Bildungslücken“ ein Bildungsverständnis des Autors, das wenn nicht als problematisch, so in jedem Fall als wenig zeitgemäß gelten muss – auch und gerade mit Blick auf das Fach Historische Musikwissenschaft.
Gunther Diehl