Richard Strauss
Eine Alpensinfonie op. 64 TrV 233
Badische Staatskapelle, Ltg. Georg Fritzsch
Eigentlich hätte die Alpensinfonie im Zentrum des Antrittskonzerts von Georg Fritzsch als Generalmusikdirektor der Badischen Staatskapelle in der Saison 2020/21 stehen sollen, doch die Corona-Restriktionen machten den Musikern einen Strich durch die Rechnung. So wurde das monumentale Strauss-Werk erst am 23. und 24. April 2023 im Rahmen der Sinfoniekonzerte der Badischen Staatskapelle zu einem umjubelten Erfolg für Dirigent und Orchester. Der Livemitschnitt der beiden Konzerte bildet die Grundlage für die erste der bislang auf fünf Folgen angelegten „Edition Badische Staatskapelle“. Mit der Alpensinfonie wird einerseits an die große Strauss-Tradition des Orchesters angeknüpft und andererseits der Strauss-Affinität von Georg Fritzsch Rechnung getragen, der in jüngerer Vergangenheit mit Salome und Elektra in Karlsruhe begeisterte.
Zwar gehört die Alpensinfonie ob des orchestralen Aufwands und der nicht unproblematischen Ästhetik kaum zu den meistgespielten Orchester-Hits des Komponisten wie Also sprach Zarathustra, Ein Heldenleben, Don Juan oder Till Eulenspiegel, doch die CD-Konkurrenz ist dennoch recht groß und oft hochkarätig wie bei der klassischen Einspielung von Rudolf Kempe/Dresdner Staatskapelle, Christian Thielemann mit den lyrisch agierenden Wiener Philharmonikern oder François-Xavier Roth, der mit dem inzwischen zwangsfusionierten SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg die Modernität der Partitur betont. Diese unterschiedlichen Deutungsansätze lassen ein Vorurteil wie „Filmmusik ohne Film“ eher obsolet erscheinen. Dass Strauss den lange gehegten Plan einer musikalischen Alpentour mit Gipfelaufstieg und Gewitter nebst Rückkehr ins Tal mit höchster Instrumentationsfinesse umgesetzt hat, ist nur ein, wenn auch gewichtiger Aspekt. Dass bis 1911 – endgültig fertiggestellt wurde sie 1915 – die Komposition noch auf Nietzsche bezogen Der Antichrist. Eine Alpensinfonie lautete, deutet den komplexen, während der langen Entstehungszeit vielfachen Veränderungen unterworfenen Werkhintergrund zumindest an.
Georg Fritzsch findet mit der sich in sehr guter Form präsentierenden Badischen Staatskapelle einen ansprechenden Ausgleich zwischen großformatiger Werk-Dramaturgie und orchestralem Detail-Feinschliff. Die Höhepunkte, und davon gibt es einige in dieser Partitur, werden mit entsprechender Lust am Effekt auch dank des auf den Bläser-Solopositionen beachtlich besetzten Orchesters ausgespielt. Wobei Fritzsch durchaus Sinn für manche naive, in Kitschnähe geratende Aspekte der Alpensinfonie hat. Diese werden in das Gesamtkonzept mit viel Musizierlust und gelegentlich Spuren von Ironie integriert. Die gute, das Orchesterpanorama plastisch abbildende Aufnahmetechnik unterstützt das Bemühen des Dirigenten und der Staatskapelle, deren Streicher ebenso Beachtliches leisten wie die Bläser, die Alpensinfonie in der Vielfalt ihrer Ausdrucksebenen auszubreiten. Ein gelungener Auftakt der Edition Badische Staatskapelle, bei der die nächste CD Max Reger gewidmet sein wird.
Thomas Weiss