Rößler, Antje

Ein Zeichen setzen

Frankfurter Musiker arbeiten im "Musik Monat Mai" vier Wochen mit Schülern

Rubrik: Zwischentöne
erschienen in: das Orchester 11/2013 , Seite 44

In Frankfurt am Main zieht die Musikszene in Sachen Nachwuchsarbeit an einem Strang. Alle großen Musikinstitutionen der Stadt sind dabei, wenn alljährlich für rund viertausend Schüler Musik erfahrbar wird. Der sperrige Titel des Projekts, das in diesem Jahr zum siebten Mal stattfand, lautet „Musik Monat Mai! Frankfurter Musiktage für Schulen“. Schirmherr ist Daniel Barenboim.
Die Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst hat das Projekt 2006 ins Leben gerufen. „Wir wollen als Institution ein Zeichen setzen, wie wichtig musikalische Bildung ist“, sagt Hochschulpräsident Thomas Rietschel, der das Ganze in die Wege geleitet hat. Am Anfang stand seine Idee, die Hochschule für einen Tag zu schließen. „Alle Lehrkräfte und Studenten sollten in die Schulen gehen. Ohne Honorar“, erinnert er sich. „Das Projekt war ein voller Erfolg. Wir überlegten uns dann, dass wir die Idee noch besser umsetzen könnten, wenn andere Institutionen mitmachten. Wir haben dann rumgefragt und bekamen überall ein positives Feedback.“
Aus dem einen Tag ist inzwischen ein voller Musikmonat geworden. Mit im Boot sitzen die wichtigen Musikinstitutionen der Main-Metropole: Alte Oper und Oper Frankfurt, das Dr. Hoch’s Konservatorium und die Ensemble Modern Akademie, Sinfonieorchester und Bigband des Hessischen Rundfunks, die Jugendmusikschule Bergen-Enkheim, Musikschule Frankfurt sowie die Schülerkonzertreihe der Stadt. „Diese Art von institutionenübergreifender Zusammenarbeit in einer Stadt ist einzigartig“, meint Hochschulpräsident Rietschel. „Das hat zudem den Nebeneffekt, dass man einander besser kennen lernt.“
Ziel ist es, dass die Kinder Musik intensiv erleben – hörend oder mitmachend. Die Bandbreite der Angebote reicht von Instrumenten-Präsentationen über Proben- und Institutionenbesuche bis zu Workshops, Vorträgen und Mitmachkonzerten. „Die Institutionen stellen uns ihre Projekte vor. Die Musiklehrer bewerben sich dann mit ihren Schulklassen für die einzelnen Projekte. Wir koordinieren lediglich Angebot und Nachfrage“, erklärt Thomas Rietschel. „Das Procedere ist praktisch und unaufwendig, hat aber zugleich eine große Wirkung. Anders könnten wir auch gar nicht arbeiten, denn unser Etat ist nicht groß.“ Um die Organisation kümmert sich die von der Hochschule angestellte Projektkoordinatorin Annika Glose; finanzielle Unterstützung kommt von zwei Sparkassen-Stiftungen.
In diesem Jahr trafen sich vom 1. bis zum 31. Mai rund zweihundert Musiker mit etwa viertausend Schülern aus 40 Frankfurter Schulen. Darunter sind alle Schulformen; der Schwerpunkt liegt jedoch auf den Grundschulen. Meist finden die Aktivitäten vormittags statt, zur Zeit des regulären Musikunterrichts in den Klassen.
Die Schüler finden solche Ausnahmeprojekte oftmals spannender als den alltäglichen Unterricht. Hellauf begeistert äußern sich Achtklässler der Falk-Realschule, die ein Bandcoaching an der Musikhochschule besuchten. „So viel in einer Stunde zu lernen, hielt ich für unmöglich“, meint Naomi. „Das war der beste Schulausflug, den ich je an der Falk-Schule hatte“, sagt Buket. Und Elif Bilge spricht von einem „Super-Tag“.
Zu den Dozenten beim Musikmonat gehört die Perkussionistin Anne Breick, die an der Frankfurter Hochschule angehende Musiklehrer unterrichtet. „Meine zweistündigen Workshops wurden in diesem Jahr von vier Schulen gebucht“, erzählt die Musikerin. „Darunter waren alle Altersklassen; die Palette reichte von der Brennpunkt-Schule bis zum Gymnasium in bürgerlicher Wohngegend.“ Die Nachfrage sei groß, da sich das Projekt schnell, einfach und ohne fachliche Vorkenntnisse der Schüler umsetzen ließe. „Ich gehe vom Musikgeschmack der Kinder und Jugendlichen aus und arbeite auch mit Hits aus den Charts“, so Anne Breick. Bei Bodypercussion, kleineren Bewegungseinheiten und dem Spiel mit Boomwhackers kann jeder mitmachen. So will Anne Breick auch das Vorurteil „Ich bin unmusikalisch“ aus den Köpfen kriegen. Die Perkussionistin bringt zudem ihre Lehramtsstudenten in die Workshops mit. „Die profitieren davon sehr, denn während des Studiums kommt der Praxisbezug zu kurz“, meint Anne Breick.
Auch die Lehrer an den Schulen holen sich im „Musik Monat Mai“ neue Inspiration für ihre musikpädagogische Arbeit. „Wir haben uns eine Anleitungs-CD von Anne Breick gekauft und im Unterricht dazu musiziert. Außerdem hat die Schule Boomwhackers angeschafft, die ich nun regelmäßig einsetze. Früher kannte ich solche Klangstäbe gar nicht“, sagt die Musiklehrerin Marika Wagner-Neubert von der Fürstenberger Realschule. Sie lädt die Perkussionistin schon seit Jahren zu Workshops in ihre Orff-Arbeitsgemeinschaft ein. „Die Schüler machen sehr gerne mit und freuen sich schon jedes Jahr darauf“, erzählt die Lehrerin. „Das Ganze ist eine positive Sache, in der sowohl die Schüler als auch ich selbst Neues erfahren.“
Die Dozentin Anne Breick macht aber auch auf die Grenzen des Musikmonats aufmerksam. „Haupt- und Gesamtschulen bewerben sich nicht so intensiv um die Workshops wie die Gymnasien“, sagt sie. „Das ist eine Folge davon, dass in den Haupt- und Realschulen häufig kein regelmäßiger Musikunterricht stattfindet.“
Dieses Problem sieht auch Thomas Rietschel, der Leiter des Musikmonats. „Wir kennen natürlich die Grenzen des Projekts“, meint der Hochschulpräsident. „Unsere Aktivitäten wirken punktuell und können einen regelmäßigen Musikunterricht nicht ersetzen. Gerade weil die Situation im Musikunterricht oft problematisch ist, wollen wir jedoch ein Zeichen setzen. Bei dem einen oder anderen Kind springt dann doch der Funke über, sodass es sich intensiver mit Musik beschäftigen will.“