Ein Jahrhundert in Wien

Trios für Viola, Violoncello und Klavier von Beethoven, Brahms und Zemlinsky

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Edition HERA 02119
erschienen in: das Orchester 07-08/2006 , Seite 91

Obgleich Ludwig van Beethoven wie Mozart Bratsche spielte – bei Mozart kam natürlich noch die Beherrschung der Violine auf solistischem Niveau hinzu –, hat Beethoven die Bratsche nicht so beachtenswert mit Kompositionen versorgt wie Mozart dies beispielsweise in den Streichquintetten tat. Dennoch findet sich, als Ersteinspielung angekündigt, auf einer hörenswerten CD ein Trio Beethovens in der ungewöhnlichen Besetzung Bratsche, Cello und Klavier.
Eine Originalkomposition ist das Es-Dur-Trio op. 81 b indes nicht. Wie die weiteren Werke der CD Ein Jahrhundert in Wien handelt es sich um eine Alternativversion. Die Opuszahl 81 dürfte zudem trotz des „b“ für etwas Verwirrung sorgen, wird doch die Klaviersonate Les adieux mit der Opuszahl 81 a bezeichnet. Verantwortlich für diese zugegeben kleine Konfusion ist das im frühen 19. Jahrhundert aufblühende Verlagsgeschäft, bei dem von unterschiedlichen Verlegern, die an schnellen Veröffentlichungen von Erfolgskomponisten wie Beethoven gelegen war, Opuszahlen doppelt vergeben wurden.
Beethovens Trio op. 81 b beruht auf einem Sextett mit zwei Hörnern und Streichquartett, einer ebenso ungewöhnlichen wie nicht eben stets verfügbaren Besetzung. Obgleich das Trio op. 81 b trotz einiger Argumente im sehr lesenswerten CD-Booklet mit großer Wahrscheinlichkeit nicht selbst vom Komponisten als Fassung für Bratsche eingerichtet wurde, ist das Jugendwerk doch eine hörenswerte Ergänzung des Triorepertoires. Obwohl das Sextett und kurz darauf die Triofassung erst 1810 veröffentlicht wurden, ist es mit großer Wahrscheinlichkeit schon um 1795/96 komponiert worden. Insgesamt ist das Werk von fröhlich-unterhaltsamer, gelegentlich tänzerisch angehauchter Grundstimmung geprägt, was sich besonders in den Partien für Viola und Cello niederschlägt. Dass Beethoven ein guter Bratschenspieler war, schlägt sich hier aber nicht in exorbitanten technischen Anforderungen an das Instrument nieder.
Bei den Trios von Johannes Brahms und Alexander von Zemlinsky wird hingegen die Klarinette durch die Bratsche ersetzt. Beim späten a-Moll-Trio op. 114 von 1891 wurde vom Komponisten selbst die Alternativbesetzung legitimiert, beim frühen Werk von Zemlinsky (op. 3) ist die Besetzung mit Viola überzeugend, steht es doch hörbar in der Tradition der späten Kammermusikwerke von Johannes Brahms. Brahms äußerte sich über das Schaffen des jungen Zemlinsky sehr positiv, was bei den Parallelen der kompositorischen Ansätze, die aber nie bis zur Epigonalität reichen, durchaus verständlich ist. Dennoch ist die Nähe des d-Moll-Trios Zemlinskys zu Brahms in fast jedem Takt zu erkennen.
Die versierte, aus Buenos Aires stammende Pianistin Carmen Piazzini, der aus Budapest gebürtige Bratscher Vidor Nagy, heute Solo-Bratscher des Staatsorchesters Stuttgart, und der ebenfalls in diesem Orchester engagierte Cellist Jürgen Gerlinger nehmen sich der drei Werke mit manueller Sicherheit und Verständnis für die unterschiedlichen Ausdruckswelten an, die Beethoven von Brahms und Zemlinsky trennen. Ausgewogen wird hier musiziert, auch wenn die Transparenz gelegentlich zugunsten einer gewissen klanglichen Kompaktheit in den Hintergrund rückt.
Carmen Piazzinis eher direktes Spiel ist von vielen soliden Einspielungen her bekannt. Als Kammermusikerin bemüht sie sich zwar darum, auf ihre Partner einzugehen, mehr dynamische Differenzierung und ein vielfältiger Klangfarbengebrauch würden ihr es aber sicher gestatten, auf dieser insgesamt gut aufgenommenen CD mehr musikalische Impulse zu setzen. Farbenreich und manuell souverän musiziert Vidor Nagy, der nur gelegentlich die Führung etwas fordernder hätte übernehmen können. Jürgen Gerlinger ergänzt das klangliche Geschehen zuverlässig, aber auch bei ihm vermisst man überraschendere Impulse.
So ist diese mit zwei Ersteinspielungen (Beethoven, Zemlinsky) aufwartende durch ihre Zusammenstellung, das informative Begleitheft und die untadelige Musizierhaltung zu empfehlen, auch wenn Ein Jahrhundert in Wien sicher nicht zu den Sternstunden der Kammermusikdiskografie gehört.
Walter Schneckenburger

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