Strauss, Richard

Ein Heldenleben/Tod und Verklärung

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 30806
erschienen in: das Orchester 02/2009 , Seite 65

Der amerikanische Musiksatiriker Peter Schickele (Jahrgang 1935) hat die Steigerungsformen musikalischer Heldenverehrung einmal so beschrieben: „Tschaikowsky tat es mit der 1812-Ouvertüre für die Russen, Copland mit seinem Porträt für Abraham Lincoln – und Richard Strauss mit dem ‚Heldenleben‘ für sich selbst.“ Der Seitenhieb auf die Tondichtung von 1898 war boshaft, doch scheinbar nahe liegend: Da tritt mit großspuriger Geste ein Held auf, widersetzt sich heroisch (wie sonst?) seinen Widersachern, lässt sich auch von der schönen Gefährtin nicht beirren, zieht unter martialischem Blechgeschmetter in den Kampf, um hernach die Welt mit Friedenswerken zu beglücken und ihr am Ende für immer zu entsagen. Bei den Friedenswerken zitiert sich der erst 34-jährige Strauss übrigens selbst.
Ein streitbares, verstörendes Werk, dieses Heldenleben. Aber nur Selbstbeweihräucherung? Dafür war Strauss sicher zu klug und die Musik zu gut. Es ging ihm – vor dem Hintergrund des kraftstrotzenden deutschen Kaiserreichs – nicht um militärische Eroberungen, sondern eher um ein, für unser Empfinden möglicherweise skurriles, pathetisches Streben nach höchsten Idealen. Dass von den Interpreten dabei das Äußerste gefordert wurde, entspricht ebenfalls dem Geist des Fin de Siècle. Da wurde geklotzt und nicht gekleckert. Die außerordentliche Raffinesse des Orchestersatzes, verbunden mit avantgardistisch anmutenden Klangfeldern, tut ihr Übriges, um das Werk auch heute noch für erstaunlich viele Orchester attraktiv zu machen. Wer Ein Heldenleben bewältigt, braucht sich vor kaum noch etwas zu fürchten und darf zeigen, was er kann.
Das mag auch der Grund für die jetzt neu erschienene Aufnahme mit dem Staatsorchester Braunschweig unter Leitung von Jonas Alber sein, zu der sich die introvertiertere Tondichtung Tod und Verklärung gesellt. Der diskografische Mehrwert hält sich angesichts von rund 60 Aufnahmen, die allein über jpc lieferbar sind, in Grenzen. Doch wer sich die CD der Braunschweiger trotzdem kauft, bereut es nicht – und darf ruhig darüber staunen, was in vermeintlichen Provinzorchestern alles möglich ist, in einem Live-Mitschnitt wohlgemerkt: ein satter, gepflegter Streicherklang, makellose Holzbläser und – hier vor allem wichtig – ein stressresistenter Blechsatz. Nur in Tod und Verklärung verlieren die Trompeten in der Gipfellage ab und an die Contenance.
Jonas Alber, der das Staatsorchester Braunschweig nach neun Jahren als GMD inzwischen wieder verlassen hat und immer noch keine 40 Jahre alt ist, sieht im Strauss’schen Helden einen Jungen Wilden, der enthusiastisch (doch nie außer Kontrolle) sein Heldenleben meistert. Zum Vergleich: Bei einer neuen Aufnahme von Fabio Luisi ist der Protagonist eher ein Weichei, während Richard Strauss selbst als Dirigent einen Intellektuellen aus ihm gemacht hat. Alber schlägt einen ähnlichen Weg wie Karl Böhm ein, treibt es aber nicht ganz so wild wie Toscanini. Souverän das halsbrecherische Violinsolo (Johannes Denhoff), das Strauss übrigens ganz offiziell seiner Frau gewidmet hat: „Sie ist sehr kompliziert“, schrieb der Meister, „und wechselt von einer Minute zur anderen.“
Johannes Killyen