Strauss, Richard

Ein Heldenleben / Rosenkavalier-Suite

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Orfeo C 803 091 A
erschienen in: das Orchester 07-08/2010 , Seite 67

In der Vergangenheit hat sich das City of Birmingham Symphony Orchestra durch eine große Anzahl von Tonträgerproduktionen profiliert, lange Zeit für EMI. Dirigenten wie Hugo Rignold, Louis Frémaux, Simon Rattle und Sakari Oramo verliehen dem Orchester ein unverwechselbares Profil, besonders ausgerichtet auf (auch britische) Musik des späten 19. und des 20. Jahrhunderts. Seit 2008 ist Andris Nelsons musikalischer Lei-ter des Orchesters. 1978 in Riga geboren, war er bereits Chefdirigent der Nordwestdeutschen Philharmonie Herford und der Lettischen Staatsoper. Nelsons hat sich bisher nicht wie seine Vorgänger intensiver mit ausgesprochenen musikalischen Raritäten auf dem Tonträgermarkt etablieren können, doch ist zu hoffen, dass er nicht nur im Standardrepertoire zu hören sein wird.
Richard Strauss war mit dem CBSO bislang kaum auf Tonträger zu hören. Voller Freude hört man die Energie, das Feuer, die Klangkultur, die das Orchester seit den 1960er Jahren prägt. Klangopulenz und Brillanz hört man im Heldenleben, solistische Raffinesse ebenso wie den großen Bogen. Selbst die intrikate Holzbläserpolyfonie um Partiturziffer 14 kommt in größter Klarheit und Sorgfalt daher, bei beeindruckend durchgehaltenem Tempo. In ihrer Rundung, ihrer präzisen Umsetzung eines großen Ganzen überzeugt mich die Interpretation Nelsons und seines Orchesters mehr als manch eine bekannterer Dirigenten.
Bedingt ist dies vielleicht auch durch die bewusste Abkehr von der illustrativen Darbietung äußerlicher Effekte. Strauss schuf in vielen seiner „Tondichtungen“ genuin symphonische Musik, und erst in jüngerer Zeit wird dies sowohl einigen Dirigenten (immer noch viel zu wenigen) als auch der Strauss-Literatur wieder bewusst. Leider bezieht sich auch Andris Nelsons noch in dem im Booklet abgedruckten Interview auf „Zwischentitel“, die angeblich von Strauss stammen: Merkwürdigerweise fehlen sie in der Handschrift wie auch in der Erstausgabe der Partitur. Dennoch gelingt Nelsons eine wohltuend „absolut-musikalisch“ klingende Wiedergabe, die das Werk Mahler näherrückt und – viel moderner klingen lässt.
Warum aber musste als „Bonus“ die Rosenkavalier-Suite beigefügt werden, ein von Strauss zwar autorisiertes, aber im Grunde uninspiriert zusammengeschustertes Machwerk? Wenn Strauss, warum nicht der Gedächtniswalzer München – ein ernst zu nehmendes Spätwerk Strauss’ – oder das Festliche Präludium? (Oder wenn Rosenkavalier, warum dann nicht eine der anderen und besseren Walzerfolgen? Selbst von Strauss gibt es zwei!) Mehr noch aber verärgern die mangelhafte orchestrale Sorgfalt bei der Suite (selbst an gemessenen Stellen wackelt es manchmal doch deutlich) sowie der durchgängig schwache Booklettext.
Jürgen Schaarwächter