Brahms, Johannes

Ein Deutsches Requiem

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Oehms Classics OC 787
erschienen in: das Orchester 06/2011 , Seite 75

Es besteht sicher kein Mangel an Einspielungen von Johannes Brahms’ Deutschem Requiem. Doch diese Neuaufnahme des Münchner Bach-Chors unter Chef Hansjörg Albrecht nimmt vom ersten Augenblick an gefangen. Äußerst engagiert werden gleich die ersten beiden Chorsätze „Selig sind, die da Leid tragen“ und „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ gestaltet. Bemerkenswert ist das dunkle Timbre des Chor- und Orchesterklangs. Die Musikbegleitung durch das Münchner Rundfunkorchester nimmt an vielen Stellen geradezu rhetorische Ausmaße an. Minimale Rubati, energische Artikulation, knackige Blechbläser, beredte Holzbläser passen insgesamt sehr gut zu Brahms’ epochalem Chorwerk. Und auch der Raumklang ist präsent und natürlich eingefangen.
Schaut man auf das Aufnahmedatum, weiß man den Grund für die lebendige Aufführung: Es handelt sich um einen Livemitschnitt vom 25. September 2010 aus der Münchner Philharmonie am Gasteig. Anlass war der erste Todestag von Dominik Brunner, tragisches Opfer seiner Zivilcourage am Münchner S-Bahnhof Solln. Wie viel an dieser Aufnahme nachgebessert wurde und ob Teile aus der Generalprobe verarbeitet wurden, ist nicht vermerkt. Die Interpretation wirkt jedoch wie aus einem Guss. Dass der britische Bariton Konrad Jarnot in den Sätzen drei und sechs keinen so prägnanten Eindruck hinterlässt, liegt an seiner etwas zu farblosen Stimme. Angestrengt „bellt“ er später in seinem Solo „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“ die Stelle „und dasselbige plötzlich“ heraus. Seine Stimme forciert er dabei wie auf der Opernbühne. Da wünscht man sich oft mehr souveräne Ruhe oder eine etwas kernigere Aussprache – mit der uns etwa Dietrich Fischer-Dieskau einst verwöhnte. Ins Gesamtbild hätte sich Jarnot dann noch besser eingefügt. Ruth Ziesak singt ihren Part im fünften Satz „Ihr habt nun Traurigkeit“ hingegen mit nüchterner, fast instrumental geführter Stimme. Allerdings ist ihr Sopran in diesem Livemitschnitt etwas eng und spitz in der Höhe und insgesamt eher glanzlos. Auch die Textaussprache ist nicht gerade vorbildlich. Aus dem fülligen Chor- und Orchesterklang sticht ihre Stimme zudem deutlich heraus.
Der Münchener Bach-Chor singt mit zahlreichen schönen Details. Ungemein zart gelingt der Anfang des sechsten Satzes „Denn wir haben hie keine blühende Statt“. Lediglich im letzten Satz sind besonders im Sopran einige Schwächen erkennbar. Doch insgesamt ist die Leistung des Bach-Chors ausgezeichnet, Ausdruck und Kontrolle sind jederzeit in schöner Balance gehalten.
Sicherlich gelingt Hansjörg Albrecht mit dieser Aufnahme keine neue Referenzeinspielung des Werks. Unter den zahlreichen Aufnahmen erwirbt sich seine Interpretation jedoch einen durchaus hörenswerten Stellenwert.
Matthias Corvin

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