Cervetto, Giacobo

Eight Sonatas for Flute & Basso Continuo

Volume 1: Sonatas 1-2/Volume 2: Sonatas 3-4/Volume 3: Sonatas 5-6/ Volume 4: Sonatas 7-8

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Grancino Editions, Santa Barbara/USA 2010
erschienen in: das Orchester 05/2012 , Seite 73

Giacobo Bassevi, genannt Cervetto, war selbst nicht Flötist, sondern Cellist – und zwar vermutlich der langlebigste aller Zeiten: 1682 in Italien in eine jüdische Familie geboren, zog er irgendwann zwischen 1728 und 1737 als Instrumentenhändler nach London, wo er die bis dahin eher der Viola da Gamba zugeneigte Inselbevölkerung als begnadeter Cellist mit seinem Instrument vertraut machte und als Solist und Orchestermusiker in Musikkreisen große Beliebtheit genoss. Viele Jahre lang war er als Solocellist am Drury Lane Theater in London tätig, und später soll er im Opernorchester Händels angestellt gewesen sein. Er starb im Alter von 101 Jahren in London.
Und obwohl er sich selbst dem Cello verpflichtet sah – auch sein Sohn James Cervetto übrigens war ein bekannter Cellist –, schrieb er u.a. auch diese acht Sonaten für German Flute, sprich: Traversflöte und Continuo (Cello/Gambe und Cembalo), sein Opus 3, Nr. 1-8. Offensichtlich kannte sich Cervetto auch mit der Traversflöte gut aus, sind die Sonaten doch in sehr traverso-freundlicher Manier gesetzt: günstige Tonarten (D-, C-, G-Dur, mal ein d-Moll), die angenehm in der Hand liegen, ein nicht zu ausufernder Ambitus (d1-d3) und im Großen und Ganzen gut zu greifende Töne.
Liest man Cervettos Geburtsdatum, ohne das seines Todesjahrs in Anschlag zu bringen, würde man hier freilich erwarten, Barockmusik vorzufinden. Doch klingen diese Sonaten – sind sie auch mit einem Generalbass versehen – eher nach empfindsamem Stil oder gar Klassik: Man würde sie harmonisch wie melodisch jedenfalls eher in der Nachbarschaft eines frühen Haydn ansiedeln als neben Telemann oder Quantz. Darauf weist auch die in dieser Ausgabe leider nicht weiter thematisierte, aber in diversen anderen Quellen auf um 1750 oder 1757 geschätzte Enstehungszeit der Stücke hin. So ist die Musik großteils gefällig, durchaus mit einzelnen gewagteren harmonischen Übergängen, aber nicht ausgesprochen komplex und damit für den Hörer schnell zu begreifen.
Der technische Anspruch der einzelnen, übrigens jeweils dreisätzigen Sonaten ist auf der Traversflöte ein mittlerer – doch natürlich hängt er auch von dem Tempo ab, in dem man beispielsweise ein Allegro spielt.
Auf der modernen Querflöte liegt manches nicht ganz so gut in der Hand, doch sicherlich könnten nicht nur professionelle Musiker, sondern auch fortgeschrittene Schüler auf diesem Instrument mit den Sonaten ihre Freude haben.
Die vorliegende amerikanische Edition erfreut mit sehr schönem Satz sowie zahlreichen, extra ein zweites Mal beiliegenden oder auch freigelassenen Einzelseiten in den Stimmen, um das Blättern überflüssig zu machen oder zu erleichtern. Die Generalbassaussetzung ist relativ schlank und gut zu greifen. Das Vorwort gibt kurze Hinweise auf die Ausführung, wobei anzuraten ist, hier die amerikanische Version zu konsultieren, da die französische und die deutsche leider voller Tipp- und – teils wirklich sinnentstellender – Übersetzungsfehler sind.
Andrea Braun