Ludwig van Beethoven
Egmont
August Zirner (Sprecher), Christina Landshamer (Sopran), Münchner Rundfunkorchester, Ltg. John Fiore
An Einspielungen von Beethovens Egmont-Ouvertüre herrscht wahrlich kein Mangel. An Aufnahmen der kompletten zehnteiligen Schauspielmusik zu Goethes gleichnamigem Trauerspiel wohl schon eher. Dass es nun sogar zwei unterschiedliche Produktionsvarianten mit dem Münchner Rundfunkorchester unter Leitung von John Fiore geworden sind, dürfte ungewöhnlich sein. Das Silberscheiben-Doppel bietet jeweils die komplette Egmont-Musik. Zum einen in der originalen Nummernabfolge, zum anderen in hörspielartiger Aufbereitung mit Zwischentexten nach Friedrich Mosengeil und Franz Grillparzer, ergänzt durch Originalpassagen aus Goethes Trauerspiel und neu eingerichtet von Schauspieler August Zirner. Stimmlich wandlungsreich erläutert und kommentiert er den Handlungsablauf, lässt auch „Mitspieler“ wie Wilhelm von Oranien, Herzog Alba, Egmonts Geliebte Klärchen nebst deren Mutter und Verehrer Brackenburg kurz zu Wort kommen. Dabei wechselt er gekonnt zwischen objektiver Berichterstattung und Empathie für seine Figuren.
Wohlklang, gepaart mit enormer Flexibilität, klangfarbenreicher Gestaltung und soundtransparenter Ausdrucksintensität, zeichnet auch das Spiel des Münchner Rundfunkorchesters aus. Das Geschehen beginnt mit der assoziationsreichen Ouvertüre, deren langsame Einleitung die spanische Unterdrückung sowie die Leiden des niederländischen Volkes einprägsam veranschaulicht. Dagegen ist der Allegro-Teil – die kämpferischen Auseinander- setzungen darstellend – dem Freiheitskampf der Niederländer gewidmet, um schließlich in einer Stretta den Sieg über die Fremdherrschaft zu feiern. Das Ganze wird straff und ausdrucksstark musiziert – und ist zugleich ein musikalischer Spiegel der tragischen Handlung, die in Brüssel zur Zeit des Aufstands gegen die spanische Fremdherrschaft von 1566 bis 1568 spielt. Das Sujet kommt Beethoven sehr entgegen, denn im Sommer 1809 leiden auch die Wiener unter einer Besatzungsmacht: Die Franzosen haben die Stadt erobert. Doch bald regt sich kämpferischer Widerstandsgeist. Im gleichen Jahr plant die Direktion des Wiener Hofburgtheaters eine Egmont-Aufführung und beauftragt Beethoven mit der Schauspielmusik zu Goethes Tragödie.
„Vernommen habt ihr die gewaltigen Töne …“, dann folgen die ersten Hinweise zur Handlung. Zunächst ist es Klärchens Lied Die Trommel gerühret, mit dem sie sich von der Befreiungseuphorie anstecken lässt. Also trägt Sopranistin Christina Landshamer das aufrührerische Lied auch jubilierend vor. Die vier Zwischenaktmusiken sind keine illustrierenden Pausenfüller: Stattdessen liefert Beethoven (s)eine Interpretation der jeweiligen Szene. Sehr einprägsam rezitiert August Zirner das Melodram Süßer Schlaf!, gefolgt von der effektvoll gespielten Siegessinfonie. Als „Zugabe“ erklingt, locker und leicht gespielt, die C-Dur-Ouvertüre Zur Namensfeier op. 115.
Peter Buske