Easy to Händel

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bella Musica BM 31.6531
erschienen in: das Orchester 06/2010 , Seite 72

Diese CD wird es bedauerlicherweise wohl nie in die Charts schaffen. Denn dazu ist diese Produktion zum Händel-Jahr 2009 einfach zu gut. Das Opera Swing Quartet nimmt sich nicht einfach nur mehr oder weniger bekannter Themen Händels an, sondern kombiniert diese mit Melodien der Jazzwelt. Mit so viel Witz und Charme, dass man sich gar nicht satt hören kann. Die vier virtuosen Weltenbummler zwischen Jazz und Klassik sind Peter Cerny (Bass), Rainer Engelhardt (Schlagzeug, Banjo, Bodhran), Wolfgang Heinzel (Klavier und Arrangements) und Wolfgang Weth (Klarinetten). Sie bestechen nicht nur mit Spiel auf höchstem Niveau, sondern demonstrieren eindrucksvoll, was Zusammenspiel sein kann. Und dies mit einer Leichtigkeit und einem Swing, der einen kaum ruhig auf seinem Platz sitzen lässt.
Seit 1993 wandelt das Quartett nun schon zwischen der E- und U-Musik, deren fragwürdige Unterscheidung (nicht nur) in der englischen Metropole, in der Händel ja einen großen Teil seines Lebens verbrachte, als völlig nebensächlich angesehen wurde. So wird auf Easy to Händel kräftig gemixt. Der Titel The double George führt zunächst in die Irre: Über einen Klangteppich der ersten Takte von Saties berühmter Gymnopédie Nr. 1
erklingt das aus den Tönen „gegfedchhade“ (= die in Noten umsetzbaren Buchstaben des Händel’schen Namens) gebildete, von der Klarinette vorgetragene Thema; erst lyrisch, dann kombiniert mit Gershwins I got rhythm in bester Swing-Manier, wobei Cerny (nicht nur) hier mit einem schönen Solo glänzen kann. In Watergame I wird die Bourrée der ersten Suite der Wassermusik kombiniert mit dem Evergreen How high the moon. Auch hier teilen sich alle Interpreten die musikalische Verantwortung. Ein Gedicht der wahnwitzige Kontrapunkt von Klarinette und Klavier zum Bass-Solo und die rhythmischen Finessen der Coda.
Händels Halleluja aus dem Messias und das Traditional Oh, when the saints go marching on – wie passt das zusammen? In The Messiah goes marching on wird der Beweis erbracht, dass das sehr wohl geht. Und wie! Nach balladeskem ersten Teil hat hier das Banjo seinen großen Auftritt, wird allerdings gleich wieder abgelöst vom E-Bass. Und nun funkt die Combo los, dass auch Funk-Legende Level 42 ihre Freude hätte. Händels „See the conquering hero“ aus dem Oratorium Joshua (besser bekannt als „Tochter Zion“) entwickelt sich vom dilletierenden Blockflötentrio – eine köstliche Persiflage auf Adventskonzerte – über swingende Passagen und orientalische Klänge hin zu einer furiosen Toccata im 5/4-Takt, die sich der berühmten El Cumbachero-Melodie annimmt. Nichts wirkt konstruiert; alles ist aus einem Guss und scheint eher improvisiert zu sein. Die gut 55 Minuten Spielzeit vergehen wie im Fluge. Aber diese CD (ausgestattet mit informativem Booklet und köstlichen Fotos) muss man sowieso öfter hören, denn die vielen Feinheiten dieser Produktion erfasst man keineswegs beim ersten Durchlauf. Tröstlich ist, dass das Ensemble sechs weitere CDs aufgenommen hat. Es bleibt zu hoffen, dass weitere folgen.
Andreas Willscher

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