Dvorák, Antonín
Dvorák Chamber Music
Piano Trios / Piano Quartets / Piano Quintets / String Quintets / Music for violin & piano / Bläserserenade / Hausmusik
In erstaunlich kurzer Zeit hat das niederländische Label Brilliant einen umfangreichen Klassik-Katalog aufbauen können, der bereits zum Inbegriff preiswerter Qualität werden konnte. Möglich gemacht haben dies zum einen viele in Lizenz erfolgende Wiederveröffentlichungen gestrichener Aufnahmen anderer Labels, zum anderen aber auch Neuproduktionen, die trotz des am untersten Ende angesiedelten Verkaufspreises dank durchaus namhafter Ensembles und Solisten für eine hohe Güte bürgen. Erkennbar ist dabei der Anspruch, jeweils eine bestimmte musikalische Gattung des Schaffens eines Komponisten komplett abdecken zu können. Das kann sogar, wie etwa im Falle Bachs, bis zur Herausgabe des Gesamtwerks führen, wobei frühere Aufnahmen mit eigenen Neuproduktionen gemischt werden. Es können aber auch die Zusammenstellung älterer Aufnahmen unterschiedlicher Künstler sein.
Im Falle von Dvo¡ráks Kammermusik waren erst jüngst in einer Zehn-CD-Box dessen Streichquartette veröffentlicht worden. Nun erlaubt eine weitere, acht CDs umfassende Veröffentlichung die Ergänzung um Klaviertrios, Klavierquartette, Klavierquintette und Streichquintette. Des Weiteren finden sich hier die Werke für Violine und Klavier, die Bläserserenade und kleinere Kompositionen, die die Herausgeber unter dem Begriff Hausmusik subsumiert haben.
Bei Dvo¡ráks Kammermusik handelt es sich fast ausschließlich um von der tschechischen Volksmusik befruchtete musikalische Eingebungen. Niemals aber ist der Komponist so weit gegangen wie in seinem Dumky-Trio op. 90, wo er die zyklische Folge der Sonatenform zugunsten einer in sechs Sätze gefassten künstlerischen Stilisierung des slawischen Tanzsatzes der Dumka aufbrach. Das Solomon Trio weiß hierbei tiefe Melancholie und ausgelassenen Frohsinn in differenzierten Abstufungen in noblem Gleichgewicht zu halten. Auch in den Klaviertrios B‑Dur op. 21, g‑Moll op. 26 und f‑Moll op. 65 setzen die Interpreten auf eine edle Zeichnung der musikalischen Charaktere, ohne dabei auf eine strahlkräftige Prägnanz verzichten zu müssen. Verspielt, doch ohne jede kecke Überzeichnung fallen die rhythmischen Muster aus, geschmeidig reihen sich die unterschiedlichen Gedanken gekonnt ist das Spiel mit den unterschiedlichen Färbungen des Klangs.
Um einiges beherzter erscheint demgegenüber der Zugriff des Borodin Quartetts, das sich zusammen mit Svjatoslav Richter am Klavier den in der Entstehungszeit gut 15 Jahre auseinander liegenden Klavierquintetten A‑Dur op. 5 und A‑Dur op. 81 widmet. Energisch vorangetrieben schwingt sich da das einleitende Allegro des frühen A‑Dur-Quintetts zu emphatischen Tönen auf, klang- und ausdrucksgesättigt wird das Andante sostenuto ausgebreitet, rhythmisch impulsiv aufgerauht zeigt sich das Finale. Im späten A‑Dur-Quintett wird, was dessen einleitendes Allegro angeht, die liedhafte Ebene krass gegen den auffahrenden Charakter dieses Satzes abgegrenzt, doch in allem Kontrastreichtum fällt stets die ausgefeilte Balance des Klaviers zu den Streichern auf: Richter gelingt da mitunter eine unnachahmlich schwebende Klangtönung. Auch im schwermütigen Andante con moto (wiederum eine Dumka!) überzeugt seine leuchtende Tongebung voller feinster Nuancen.
Die Darstellung, die das Stamitz Quartett den beiden Streichquintetten op. 77 und 97 angedeihen lässt, zeichnet sich dagegen nicht gerade durch eine anspringende, lebhafte Spannungsfülle aus: Vieles erscheint da in der Umsetzung der musikalischen Gedanken etwas zu zahm, zu matt und zu konturenarm. Kaum Eindruck machen können auch die Duos für Violine und Klavier. Bohuslav Matousek (Violine) und Petr Adamec (Klavier) bleiben in ihrer Ausdrucks- und Klanggebung zu eindimensional, sie erreichen nicht die zu wünschende Eleganz und Lockerheit.
Dem Nash Ensemble gelingt es dagegen vorzüglich, aus Dvo¡ráks Serenade für Bläser, Cello und Kontrabass d‑Moll op. 44 mit sinnfälliger Artikulation, fein gestufter Dynamik und lebhaftem Gestus geradewegs ein Meisterwerk zu machen. Diffizil geht man mit den Farbmischungen der Instrumentierung um, die verschiedenen musikalischen Charaktere werden in einen aufregend plastischen und doch völlig organischen Zusammenhalt gebracht.
Die richtige Balance von Empfindung und Elan wissen auch Robert Cohen (Cello) und Roger Vignoles (Klavier) in Dvo¡ráks Rondo g‑Moll op. 94 aufzuspüren, und mit den fünf Bagatellen op. 47 für zwei Violinen, Violoncello und Harmonium findet sich innerhalb dieser Edition noch ein weiterer rarer Werkkomplex, der mit dem Alberni String Quartet und Virginia Black am Harmonium klanglich und musikalisch spannungsreich ausgedeutet wird.
Nicht alles, aber vieles, was man in dieser Edition vorfindet, ist musikalisch ausgereift und erscheint vollgültig. Technischerseits allerdings hat der angepeilte niedrige Verkaufspreis wohl nicht die nötige Sorgfalt erlaubt: Da hat man grobe Schnittfehler (Auslassung am Ende des Eröffnungssatzes des Dumky-Trios), und mehrmals ein Wegblenden des Halls und ein Beschneiden des Einschwingens hinzunehmen.
Thomas Bopp