Stradella, Alessandro
Due Sinfonie per Violino
(Turin-Manuskript) für Violine und Basso continuo, Erstausgabe, Partitur und Stimmen
Der 1639 in der Nähe von Viterbo geborene italienische Komponist, Geiger und Sänger Alessandro Stradella hat ein sehr abenteuerliches Leben geführt, das am 25. Februar 1682 in Genua auf gewaltsame Weise sein Ende fand, als er auf offener Straße aus bis heute ungeklärten Gründen erschlagen wurde. Kein Wunder, dass der produktive Meister, der selbst neben Vokal- und Instrumentalwerken aller Art viele Opern komponiert hat, zum Protagonisten einer Oper wurde. Friedrich von Flotow, der Komponist der Martha, brachte sie 1844 zur Uraufführung. Da aber die Oper jener Zeit zunehmend in Vergessenheit geraten ist, dürfte Stradella heute wieder eher durch seine eigene Musik denn durch die zeitweise nicht unpopuläre Vertonung seiner spektakulären Biografie im Bewusstsein sein. Nicht zu vergessen sind im Blick auf die Rezeption von Stradellas Musik schon in der Barockzeit aber auch die Entlehnungen Georg Friedrich Händels aus dessen Serenata für sein Oratorium Israel in Egypt.
Die neue Ausgabe zweier seiner Sinfonien für Violine und Generalbass wirft den Blick auf den Instrumentalkomponisten Stradella, dessen Bedeutung der Herausgeber Jolando Scarpa, in dessen Edition Frutti Musicali der Band erschienen ist, im Vorwort betont. Stradella wird dort als Vorläufer Corellis gewürdigt und als wichtiger Wegbereiter der Gattung des Concerto grosso angesprochen.
Die als Erstausgabe hier vorliegenden beiden Sinfonien das ist eine Bezeichnung, die der Komponist noch weit entfernt von der späteren Gattungsbezeichnung ganz allgemein für ein Instrumentalwerk benutzte entstammen einer Sammlung von handschriftlich überlieferten Stücken, die in der Biblioteca Estense in Modena (zwei Bände) und der Biblioteca Nazionale in Turin (ein Band) überliefert sind. Die beiden Sinfonien in d-Moll und a-Moll entstammen dem Turiner Manuskript. Sie sind wahrscheinlich für Violine und Generalbass gedacht, der Herausgeber schließt im Vorwort eine Verwendung für andere hohe Instrumente aber nicht ganz aus. Sehr hoch liegt in der vierteiligen d-Moll-Sinfonie auch der kaum bezifferte Bass, der immer wieder mit der Oberstimme dialogisiert. In der a-Moll-Sinfonie, einem passacaglia-ähnlichen Variationenzyklus, wiederholt die Unterstimme 24 Mal ein Ostinato in breiten Notenwerken.
Der Herausgeber, der nur dezent in den Urtext eingegriffen, bei strittigen Stellen aber ab und an ein Fragezeichen gesetzt hat, liefert keine Aussetzung des Basses mit. Die Spieler dieses Parts auf Tasten- oder Lauteninstrumenten können und müssen hier selbst aktiv werden. Doch in der Barockmusik, nicht zuletzt in der instrumentalen Kammermusik, ist bekanntlich Fantasie sowie die Freude an eigenen Lösungen und Improvisation gefragt. Und dazu bietet diese Ausgabe eine sehr gute, auch gut lesbare Grundlage. Zudem macht sie mit weiteren Teilen eines aparten Repertoires bekannt und trägt nicht zuetzt zur vermehrten Beschäftigung mit dem Komponisten Alessandro Stradella bei.
Karl Georg Berg