Shchedrin, Rodion

Double Concerto

for piano, violoncello and orchestra "Romantic Offering" (2010), Klavierauszug vom Komponisten

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: das Orchester 01/2012 , Seite 63

Sein Doppelkonzert für Klavier, Violoncello und Orchester hat Rodion Shchedrin im Auftrag des Luzerner Sinfonieorchesters komponiert. Uraufgeführt wurde es am 9. Februar 2011 im Konzertsaal des Kultur- und Kongresszentrums Luzern durch das LSO unter Neeme Järvi und mit den Solisten Martha Argerich und Mischa Maisky. Ihnen ist das Werk, in dieser Besetzung eine Novität für die Konzertliteratur, gewidmet. Anlass war der 70. Geburtstag der argentischen Pianistin am 5. Juni, der bei ihrem grandiosen Auftritt, mit dieser umjubelten Weltpremiere, schon mal vorgefeiert wurde.
Am Ende lagen sich die Interpreten in den Armen und Shchedrin der Solistin zu Füßen. Ergriffen. Denn sein Geschenk für die Grande Dame des Klaviers und ihren „Musizierfreund“ Maisky ist ein Stück voller exorbitanter Schwierigkeiten und Herausforderungen, maßgeschneidert für die beiden Stars. Er kennt sie lange, bewundert sie sehr und liebt auch ihre Instrumente – Argerichs Vortrag von Schumanns Der Dichter spricht empfindet er als inniges Gebet und Maiskys Solo im Don Quixote von Strauss als intime Beichte.
Da war es für ihn völlig selbstverständlich, das Spirituelle und das Virtuose, das diese Künstler so einzigartig prägt, wirkungsmächtig in sein dreisätziges Konzert Romantisches Opfer einzubringen. Zwischen dem
tastenden Beginn des Klaviers und dem visionären Verklingen des Cellos, zwischen filigranen Linien und feinen Idyllen, empfindsamen Farben und intensiven Affekten, tokkatenartiger Motorik und kraftvollem Pathos entwickelt er eine Vielzahl von Episoden, Steigerungen und Spannungen, die der Musik ihre Poesie und Dynamik verleihen. Sie erhält eine Individualität, mit der sie „durch Herz, Seele und Nervenbahnen des Hörers“ fließt, und sie gibt auch die Charaktere der Freunde höchst sensibel wieder – jeder von ihnen kann das in „seiner“ Kadenz beweisen.
Im 1. Satz Moderato quasi Andante und im 2. Satz Allegro, ma non troppo kulminiert die Ausdrucksgewalt in rasenden Läufen und hämmernden Akkorden, in einer geradezu explosiven Dramatik, die der attacca folgende 3. Satz Sostenuto assai zart beruhigt – war der Pianistin bis dahin ein Kraftakt zugemutet, so kann der Cellist nun in lyrische Sphären entschweben. „Der kompositonstechnische Aspekt muss in der Welt des Komponisten bleiben“, befindet Shchedrin. Aber der Bezug auf Bachs Spätwerk und das eigene virtuose Klavierspiel und -schaffen ist ebenso zu bemerken wie die Transformation von Ausdrucksmitteln und Satzstrukturen der Schumann’schen Klaviermusik in die Gegenwart. Auch dem Werkbeginn – kantable Linie und kapriziöses Staccato – fällt eine konstituierende Rolle zu, indem er am Ende des Satzes und am Schluss des 30 Minuten dauernden Konzerts wiederkehrt.
Die Orchesterbesetzung verzichtet auf Klarinetten und Harfe, gesellt den Pauken drei Schlagzeuger hinzu und reicht aus, der Virtuosität brillante Farben zu verleihen und die Solisten mit einem attraktiven Klanggewand zu umgeben. Dem festlichen Anlass gemäß. Und anziehend fürs Repertoire.
Eberhard Kneipel