Furtok, Boguslaw

Double Bass Quartets

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Zuk Records 333
erschienen in: das Orchester 05/2011 , Seite 77

Die Komponisten der gängigen Kontrabassliteratur waren oder sind oft selbst Bassisten, sie haben aus der Praxis heraus für die Praxis ihres eigenen Instruments geschrieben. Nie wären ein Beethoven oder ein Schumann auf die Idee gekommen, eine Sonate auch für den Kontrabass zu komponieren. Dass es heute Bearbeitungen vieler Violin- oder Cellosonaten aus allen Epochen für den Bass gibt, verdankt man wiederum zumeist Mitgliedern der eigenen Zunft. Auch die umwerfende Musik der „Flying Basses“ stammt von dem polnischen Bassisten Boguslaw Furtok, seit 1995 Solokontrabassist des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt. Mit drei seiner Orchesterkollegen, mit Cristian Braica, Simon Backhaus und Ulrich Frank, hat er das virtuose Ensemble gegründet. Anlass war ein Orchesterfest beim Hessischen Rundfunk im Jahr 2002.
Der Kontrabass ist vom Genus her das einzige männliche Instrument im Sinfonieorchester. Entsprechend kraftvoll, mutig und abenteuerlustig bestreiten die Vier auch diese CD mit drei Kontrabass-Quartetten, geschrieben in den Jahren 2002, 2005 und 2006. Wer da nun meint, es müs-
se sich damit zwangsläufig um avantgardistische Musik handeln, der irrt.
Boguslaw Furtok hat in seinem Leben schon so viel Musik aus allen möglichen Epochen, Stilen und Ländern in die Finger bekommen, die sich in seinem Kopf festgesetzt hat. Ohne nun speziell auf Bekanntes zu stoßen, spürt man die Wurzeln und Quellen, aus denen er schöpft, man kann Vergleiche und Einordnungen anstellen, ohne die Musik gleich in eine Schublade stecken zu können. Dafür ist sie auch zu vielseitig, zu unterschiedlich. Es ist sehr viel Bewegung im Gange, motorische, vorwärtsdrängende Kräfte. Dann aber ist auch wieder emotionell Bewegendes dabei, weitgespannte melodische Bögen von großer klanglicher Schönheit.
Auch wenn man die vier Bassisten formal ein Streichquartett nennen könnte, so ist der akustische Eindruck durch den viel größeren Umfang doch ein völlig anderer als der einer „normalen“ Besetzung. Es gibt hier immer wieder Töne der Geigen-Region, sozusagen aus den hohen Lagen des „ewigen Kolophoniums“, der Umfang reicht aber bis hinunter zum Kontra-C durch die Mitwirkung eines Fünf-Saiters.
Und auch die dynamische Kraft ist eine ganz andere. Hier tun sich fast orchestrale Weiten auf, und das oft eingesetzte Pizzikato bringt zusätzliche typische Bass-Effekte. Dass der Komponist diese Möglichkeiten kennt und sie reichlich ausschöpft, versteht sich. Da tun sich in den verschiedenen Sätzen ganz eigenwillige Klangfarben auf, auch durch die Ausnutzung aller virtuosen Potenziale dieser vier Bassisten. Gerade im Quartett Nr. 5 werden in Sätzen wie Tarantella, Ländler oder Aria ganz besondere musikalische Genres bedient. Das swingt und tanzt, das singt solistisch und chorisch, da ist unglaubliches Leben drin in den Bässen. Gab es da früher nicht anderslautende Vorurteile?
Wolfgang Teubner