Bartók, Béla / Erich Wolfgang Korngold
Divertimento für Streichorchester / Symphonische Serenade für Streichorchester
Mein Glaubensbekenntnis heißt: der Einfall! Dessen Urkraft triumphiere über künstliche Konstruktion und musikalische Mathematik. Das schrieb Erich Wolfgang Korngold über seine Zielsetzung als Komponist. Das melodische Material diktierte seine Werke das gilt auch für seine Symphonische Serenade op. 39. Wobei er auch auf das Wechselspiel von Effekt und Affekt setzte. Das wiederum brachte dem während der Nazi-Diktatur emigrierten Musiker Erfolge als Filmkomponist in Hollywood ein. Die Serenade entstand 1949/50, nachdem er aus den USA nach Europa zurückgekehrt war. Nach der Zusammenarbeit mit Leinwand-Größen sehnte er sich nach neuer Anerkennung auf dem seriösen Konzertpodium. Dazu trug die B‑Dur-Serenade bei, ein viersätziges Opus, das traditionelle Muster durchläuft.
Korngold zieht bei dem Stück fast alle Register, ohne jedoch die Forderungen der Avantgardisten nach Radikalität einzulösen. Die Serenade breitet und leuchtet die Motivlandschaft raffiniert aus. Gleich der Pizzicato-Auftakt im Kopfsatz gibt diese Option vor. Wenn er wieder zum gestrichenen Klang wandert, erreicht Korngold das schwebende Element, das er von den Interpreten verlangt. Im Intermezzo jagt er durch das Notenfeld, immer kontrolliert. Leise Töne schlägt er beim Lento an, das er samten ausklingen lässt. Das ebenso an- wie befeuernde Allegro beweist noch einmal die reiche Palette des Komponisten: Er kennt sich bestens im Streicher-Niveau aus. Ein leider viel zu selten gespieltes Werk, dabei wartet es mit großem Nuancenreichtum auf.
Bartóks Divertimento entstand 1939 in der Schweiz, wohin ihn Paul Sacher eingeladen hatte. Das Basler Kammerorchester unter Sachers Dirigat übernahm die Uraufführungsrechte. Die Komposition ist eine der letzten, die der ungarische Komponist noch in der alten Welt fertig stellte anschließend emigrierte auch er in die USA. Die tänzerische Rhythmik behält Bartók ebenso bei wie die harmonische Farbigkeit. Das Espressivo, das viele seiner Stücke markiert, geht dem Hörer schnell ins Ohr. Bartók gibt sich im dreiteiligen Divertimento ansprechend, neoklassisch das Ruppige,
Extrovertierte, Kühne bleibt weitgehend ausgespart. Stattdessen durchweht eine poetische Melancholie das Werk, das im Molto Adagio unirdische Sphären ertastet. Seherisch, visionär, nicht von dieser Welt so scheint sich Bartók von dem bevorstehenden Kriegsgeschehen abzuwenden.
Beide Stücke verfügen über Kolorit, Profil und Klangeigenheiten, die den Komponisten dahinter auszeichnen. Beide werden vom Ensemble Allegro Vivo unter der Leitung von Bijan Khadem-Missagh so ernst wie unmittelbar, so streng wie leidenschaftlich und poetisch angenommen und umgesetzt. Der Dirigent findet problemlos einen Zugang zu den Harmonie-Programmen, zur Originalität der Tonschöpfer und Beziehungen zur Streicherkultur. Er vermittelt den Eindruck einer lebendigen Klangsprache, die auf Umstände, Umbrüche und Zeit reagiert aber nicht in einem spektakulären, brutalen Schnitt, sondern die Musik grenzt an Traditionen und ist sich der musikalischen Entwicklung seit 1900 bewusst. Die von Khadem-Missagh gegründete Academia verknüpft hohe Klangkultur mit beherzter Eleganz. Korngold wie auch Bartók sind bei diesem Orchester in den besten Händen.
Jörg Loskill