Mozart, Wolfgang Amadeus / Volker David Kirchner
Divertimento Es-Dur KV 563 / Streichtrio
Seit nunmehr fast zehn Jahren spielt sich das Trio Echnaton nicht nur durch die musikalische Welt, sondern fühlt sich auf seinen zahlreichen Konzerttourneen sowohl in Europa als auch in Asien gleichermaßen wohl. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen machen Wolfram Brandl (Violine), Sebastian Krunnies (Viola) und Frank-Michael Guthmann auf dem Violoncello Lust auf präzis und mitreißend gespielte Kammermusik.
Dabei fallen dem Hörer die fast himmlischen Längen des wohl umfangreichsten Kammermusikwerks Mozarts kaum auf, das der in Wien Schaffende kurz nach seinen letzten drei großen Sinfonien komponierte. Überraschend ist hierbei der besonders in der Mozart-Forschung diskutierte, mehr auf Unterhaltung gerichtete Titel Divertimento, welcher allerdings dem schwergewichtigen, kontrapunktischen Inhalt lediglich formal es besteht aus sechs Sätzen gerecht wird. Gleichbedeutend und gleichwertig mit den drei letzten Preußischen Quartetten KV 575, 589 und 590, dem Klarinettenquintett
KV 581 sowie den beiden letzten Streichquintetten KV 593 und 614 steht das Divertimento KV 563 in der Reihe gehaltvollster Kammermusik Mozarts. Darum erfordert es wirklich ausgezeichnete Interpreten, die die Spannungsbögen meistern und den musikalischen Willen des Komponisten verwirklichen und das geschieht in dieser Einspielung
in gekonnter und erfrischender Weise.
Aus einem ganz anderen Holz geschnitzt ist das Streichtrio des aus Mainz stammenden Tonkünstlers Volker David Kirchner. Dieses Werk aus dem Jahr 2000 besteht aus drei Sätzen, die Kirchner jeweils mit einem inhaltsschweren Titel, einer Art Programm versah: Trauma, Lalphabet du diable und Schemen. Nach dem positiv gestimmten Schlusssatz von Mozart zieht Kirchner den Hörer fast destruktiv in das Leid der Welt herab. Musik nicht mehr als Quietiv und Kontemplation, wie es der Philosoph Arthur Schopenhauer nannte, sondern als unentrinnbare Konfrontation mit der Wirklichkeit, psychologisiert bis zur freiwilligen Erlösung vom Leben. Auch wenn der gebannte Hörer sicherlich andere Assoziationsketten bei Trauma entwickelt, zeigt sich der Satz als fast lähmend-erschütternde Umsetzung von ambiguosen und ambivalenten Realitäten.
Zugleich reiht sich der Komponist, der u. a. bei Günther Raphael und Bernd Alois Zimmermann studierte, mit seinem Streichtrio historisch in einen Prozess ein, der im 20. Jahrhundert mit den Streichquartetten Béla Bartóks begann und den späten Kammermusikwerken Dmitri Schostakowitschs in eine Richtung wies, die wenig mit den deutschen Neutönern serieller Experimentiertechniken zu schaffen hat. Nicht nur im Grundcharakter mit den schneidend langen Akkorden erinnert Kirchners Werk an das
es-Moll-Streichquartett op. 144 des oft gescholtenen sowjetischen Komponisten, sondern auch mit den aufwühlenden und fast ins Herz stechenden Sechzehntel- und Zweiunddreißigstelnoten. Insbesondere im zweiten Satz, der kurioserweise mit einem französischen Titel versehen ist, schreibt Kirchner: Alle Teufeleien, die es in der Musik gibt, werden in diesem Satz angewandt: das Material wird gespreizt, zerhackt, zerrissen usw.
Von den Spielern verlangt Kirchner nicht nur in diesem hoch
virtuosen Satz einiges. Dem Trio mit dem königlichen Namen, dem das Werk gewidmet ist, scheint es auf den Leib geschrieben. Trotz der polaren musikalischen Spannung zwischen den beiden Werken ist die vorliegende CD in jeder Hinsicht bemerkenswert.
Werner Bodendorff