Dirigieren lernen mit Robert Kuckertz
Vom "Taktieren" zum "Dirigieren"
Dirigieren gehört zu jenen merkwürdigen Tätigkeiten, bei denen man mit unterschiedlichsten Qualitäten reüssieren kann, welche einerseits vielen erreichbar scheinen, andererseits im Ruf stehen, nicht erlernbar zu sein. Die Missverständnisse treffen sich in der Unterschätzung handwerklicher Komponenten bzw. deren Vermischung mit persönlichkeitsgebundenen, auratischen etc. Jede auf saubere Unterscheidungen und auf Versachlichung der Diskussion gerichtete Initiative ist also zu begrüßen, so auch der methodisch neuartige Versuch von Robert Kuckertz. Er stellt von vornherein klar, was erlernbar ist und was nicht, und widmet sich ausschließlich dem Erlernbaren.
In insgesamt 38 kleinen Kapiteln nimmt er die Kurve von allgemeinen Erörterungen (Geschichte, Stand und Körperhaltung, Haltung des Taktstockes etc.) über dirigiertechnische Details, um am Ende wieder bei allgemeineren Fragen anzukommen Sichtkontakt, Klangvorstellung, Persönlicher Dirigierstil etc. Dass das meiste optisch demonstriert werden kann, ist der Vorzug der DVD; ihr Problem ist, dass viele Aspekte wenigstens so eingehend abgehandelt werden sollten, dass der als Benutzer anvisierte, an Selbstunterricht interessierte Liebhaber damit umgehen, unterbrechen und sich in Einzelheiten vertiefen, vorgeschlagene Übungen praktizieren kann die Einladung hierzu gehört zur Methode. Insofern dient es dem Anliegen, dass Kuckertz die Nähe zur Zeitlupen-Pedanterie von Gymnastik-Demonstrationen im Fernsehen nicht scheut.
Ähnlich wie beim Singen interferieren beim Dirigieren technische und konstitutionsbedingte Momente besonders stark, bei Bewegungsebenen, -dimensionen etc. Ein körperlich anders disponierter Vorführer also hätte manches anders vorgeführt. Als einen Teil seiner methodischen Sauberkeit hält der Kursus diesen Aspekt, soweit möglich, draußen und befleißigt sich einer gewissen Anonymität bzw. Beschränkung aufs Grundsätzliche, was dem Benutzer die Aneignung bzw. Übertragung des Demonstrierten erleichtert.
Zur Sauberkeit des Unternehmens gehört überdies, dass es nirgends die Illusion nährt, kleine Karajans herstellen zu können, zu den Vorzügen, dass es umsetzbare Anregungen vermittelt und zur Versachlichung der Vorstellungen vom Dirigieren beiträgt.
Peter Gülke