Neunzig, Hans A.

Dietrich Fischer-Dieskau

Ein Leben in Bildern

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Berlin 2005
erschienen in: das Orchester 07-08/2005 , Seite 80

Es ist eine Huldigung zum 80. Geburtstag, und in gewissem Sinn ist es ein altmodisches Buch. Und so bietet sich auch das alte Wort der „Anmutung“ an, mit der es aufwartet. Es mutet sehr intim an, könnte sich sein Leser doch fühlen wie an der Seite eines Freunds des Hauses, dem es gestattet wurde, die Familienfotos herauszukramen und sie plaudernd herzuzeigen; und es mutet etwas pathetisch an angesichts der Bewunderung, auf die der Leser sich einlassen muss.
Nach der Lektüre kam mir ein Gedanke, der zukünftigen Lesern von Nutzen sein könnte: Wer dieses Buch geschenkt bekommt (und es ist ein prächtiges Geschenk) oder es sich selbst schenkt, dem sei empfohlen, vor dem Lesen seinen Schallplattenschrank nach Musik mit dem Protagonisten dieser Biografie zu durchforsten und sie beim Lesen aufzulegen. Mir persönlich ging es nämlich so, dass mir bei aller Intimität die Person des Dietrich Fischer-Dieskau eigentümlich fremd geblieben ist. Keine Sorge, das Buch wird nicht unzulässig vom Hören ablenken! Es ist ja vornehmlich ein Bilderbuch, und die Texte, so unerlässlich sie fürs Verständnis der Bilder sind, lesen sich leicht in ihrem Erzählton.
Der Sänger Dietrich Fischer-Dieskau, von außen betrachtet: vermittels des Mediums Foto, vermittels Äußerungen anderer, vermittels seiner musikalischen Arbeit und seiner Erfolge. Es bleibt aber nicht bei dem „von außen“, denn es sind die Porträts, von denen der Band einige enthält, die uns doch einen tieferen Blick gestatten. Ein Mann, dessen Blick von freundlicher Skepsis zu sein scheint, von eher introvertierter Sinnlichkeit, mit beträchtlich fragendem Anteil – dies übrigens schon bei den Kinderbildern. Die vielen „Arbeitsfotos“ sind mehr eine Dokumentation von Beruf und Erfolg, weniger des Menschen – ausgenommen vielleicht ein Bild des dirigierenden Fischer-Dieskau (S. 143), das zeigt, wie das andere Musiziergenre die Physiognomie verändert.
Zwar von außen betrachtet, aber mit Bedeutung fürs „Innen“: die vielen Freundlichkeiten, die in Briefen oder mündlich geäußert wurden: „Ein Symbol von tiefer Menschlichkeit […], ein Muster an Prägnanz und Belcanto zugleich“ (Herbert von Karajan, S. 129). Das Foto aus der gleichen Zeit der Zusammenarbeit ist ebenfalls „ein Muster an Prägnanz“. Manches liest sich (und schaut sich an) wie aus einem Agenturtext. Dann reduziert sich die menschlich-künstlerische Identität auf die Zusammenarbeit mit anderen Berühmtheiten. Ob man den Pragmatismus, den Hans A. Neunzig dem Künstler in Bezug auf seine Ehefrauen zuschreibt („die Wahl schien klug…“ u.a., S. 125) für bare Münze nehmen soll, sei dahingestellt. Dazugehörige Bilder wie auch andere Familienfotos sprechen von aller Lebendigkeit der Zuneigungen.
Viel Raum nimmt der Maler
Fischer-Dieskau ein, ausführlich dokumentiert ist immer wieder sein Engagement für die aktuelle Musik. Was an dem Buch immer wieder von Neuem einnimmt, ist die dichte Nähe von Bild und Text. Wie gesagt, der Freund des Hauses Fischer-Dieskau mit dem „Fotoalbum“.
Günter Matysiak

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