Die Württembergische Philharmonie kocht
Herausgegeben von Cornelius Grube und Stefanie Eberhardt
Die Württembergische Philharmonie kocht
Nicht vor Wut, nein, sondern für uns. Das ist ein netter Zug, aber Hand aufs Herz: Ob wir sie nicht doch lieber spielen hören? Orchester und Verwaltung stellen sich in diesem Buch von einer bisher vollkommen unbekannten Seite vor, heißt es auf dem Buchrücken. Das mag auf den ersten Blick originell erscheinen, aber dann wirkt das Buch doch eher wie die Rezeptsammlungen, die Hochzeitspaare von ihren Gästen geschenkt bekommen: Jeder schickt ein Rezept ein, dazu ein Foto sofern vorhanden. Und die Schwester des Bräutigams muss daraus etwas Ansehnliches basteln
In diesem Fall ist der Schwester, also dem Verlag, höchstes Lob zu zollen. Den Grafikern gelang es, die heterogenen Elemente zu einem pfiffigen und ansehnlichen Layout zusammenzufassen. Die Vorgaben waren offensichtlich denkbar schwierig: Mal gibt es Fotos von den Orchestermitgliedern, mal wurden Instrumente und Lebensmittel kunstvoll arrangiert, mal gab es eben auch gar nichts. Und einmal musste halt auch eines dieser Laienfotos eingebunden werden, auf dem das Datum im Bild zu sehen ist: Am 2. Juli 2003 gelang der Schnappschuss eines Gartenfestes Glückwunsch! Das wirkt denn doch ein wenig zu handgestrickt und man hätte sich mehr Sorgfalt in der Planung und Auswahl gewünscht.
Die drei Abschnitte Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts sind farblich unterschieden. Alle Rezepte wurden mit musikalischen Titeln versehen, die die ganze Bandbreite zwischen genial und peinlich ausfüllen. Der Bratapfel ,Soßenkavalier zählt titelmäßig auf jeden Fall zur ersten Kategorie, wohingegen ,O Haupt voll Blut und Wunden Musikalisches Opfer aus Roten Beeten hier nicht weiter kommentiert werden soll. So uneinheitlich wie die Aufmachung ist auch das Niveau der Rezepte. Das Bulgarische Omelett haut sich jeder gestresste Arbeitnehmer abends auch ohne Kochbuch in die Pfanne; immerhin kündet hier der Titel Koch-Etüde in der 1. Lage von Selbstironie. Am anderen Ende der Skala steht das Menü Mme Butterfly, das aus Sushi besteht und allein in der Beschreibung schon sechs Buchseiten einnimmt. Wer als Nicht-Japaner einmal Sushi selbst gemacht hat, weiß, dass es in der Regel auch das letzte Mal war
Musik und Essen: Unzählige musikalische Kochbücher wollen uns Glauben machen, dass diese beiden Genüsse irgendwie zusammengehören. Herausgeber und Intendant Cornelius Grube gibt in seinem Vorwort ebenfalls schlüssige Erklärungen für diese Verbindung. Schließlich seien bereits vor 500 Jahren die Hofmusiker des Kasseler Orchesters in Naturalien bezahlt worden. Und Freiherr Johann Baptist Schniedenhofen auf Stumm und Triebenbach
ging nach dem Essen [!!] ,zur Braut Musick und genoss dabei die Haffner-Serenade. Tatsächlich?
Pro verkauftem Buch geht ein Euro als Spende an die Württembergische Philharmonie. Ein reger Verkauf sei dem Orchester gegönnt. Doch eigentlich wäre hier mehr möglich gewesen.
Rüdiger Behschnitt