Moster, Stefan
Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels
Roman
Ein Kreuzfahrtschiff kann der ideale Schauplatz für einen Roman sein: Der Personenkreis ist begrenzt auf die Zahl der Mitreisenden, ebenso die Räumlichkeiten und doch ist alles da: Reisende, die Crew des Schiffs, eine differenzierte Infrastruktur, die Welt im Kleinen als Observationsraum. Der 1964 in Mainz geborene Stefan Moster macht sich für sein Romandebut Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels diese Theatrum-mundi-Situation in virtuoser Weise zunutze: Almut, Ende vierzig, lässt sich als Schiffspsychologin auf das Abenteuer ein, die Klientel einmal nicht auf dem Festland zu behandeln. Und sie ist froh über diese Abwechslung zum Alltag, die ihr ein Freund ihres Exmannes angeboten hat. Denn ihr neunzehnjähriger Sohn Sebastian hat vor einiger Zeit die Mutter samt mütterlicher Wohnung im Streit und mit unbekanntem Ziel verlassen. Was Almut nicht weiß: Sebastian ist ebenfalls auf dem Schiff. Auch er wurde für die Kreuzfahrt angeheuert und spielt nun als Pianist in der Bar die Abendgesellschaft in Stimmung.
In auf Kapitel verteilter Wechselrede lässt Moster seine beiden Protagonisten sprechen und ermöglicht dem Leser so einen objektiveren Blick auf das stark aufgeladene Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, das ausgerechnet beim Versuch, gemeinsam die Schubert-Sonate D 946 zu spielen, aus den Fugen geraten ist. Und während man gebannt den Schilderungen folgt, wie dieser nicht aus rein individuellen Spannungen herrührende Konflikt entstanden ist, und mit Spannung erwartet, ob, und wenn ja wie, Mutter und Sohn auf dem Schiff aufeinander treffen werden, wird einem zugleich auch ein Stück deutsch-deutsche Geschichte erzählt. Denn Almut ist in Leipzig aufgewachsen und hat nach dem Verlust ihrer Arbeit im Westen noch einmal von vorne anfangen müssen. Erst auf dem Schiff erfährt sie Dinge über ihre Vergangenheit, die ihr bislang verborgen waren. Zudem ist Sebastian in den Transport illegaler afrikanischer Flüchtlinge verwickelt, die versuchen, im Bauch des Kreuzfahrtschiffes nach Europa zu gelangen.
Moster, der heute in Finnland lebt und bislang als Lektor und Übersetzer tätig war, hat hier einen Roman vorgelegt, dem man seinen Debutstatus allenfalls positiv in der überbordenden Begeisterung fürs eigene Schreiben und in der unbändigen Lust am Fabulieren anmerkt. Das Buch ist überaus spannend, klug konstruiert, bisweilen unglaublich witzig, in seiner Psychologie glaubwürdig, in seiner Weltsicht engagiert, kritisch und doch human und weit entfernt von allem Tastenden und Testenden eines durchschnittlichen Debuts.
Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels ist ein aus vielerlei Warte lesbares Buch. Dass der Musik darin eine dramaturgische Funktion zukommt, ihre Möglichkeit zur Stimulation, zur Animation, zur Manipulation, zur Versenkung erörtert werden, ist nur eine von vielen Facetten dieses Romans, über den sich noch vieles sagen ließe. Man kann es aber auch kurz fassen: unbedingt lesen!
Beate Tröger