Jakobsen Barth, Verena

Die Trompete als Soloinstrument in der Kunstmusik Europas seit 1900

mit besonderer Berücksichtigung der Entwicklung ab 1980 am Beispiel der Solisten Håkan Hardenberger, Ole Edvard Antonsen und Reinhold Friedrich

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Göteborgs Universitet, Göteborg 2007
erschienen in: das Orchester 04/2008 , Seite 61

Es war eine kleine Sensation: Da stellte sich am 5. November 1980 ein 22-jähriger Trompeter in das Tonstudio der Plattenfima Jeton und bespielte eine Vinyl-Scheibe im Direktschnittverfahren – das heißt ohne nachträgliche Korrekturmöglichkeiten. Dem Newcomer Reinhold Friedrich gelang das Meisterstück mit Bravour. Zu dieser Zeit hätte man dies höchstens dem Trompeten-Star Maurice André zugetraut.
Diese Anekdote aus dem Musikbetrieb ist in Verena Jakobsen Barths umfangreicher Dissertation nicht vermerkt. Sie ist jedoch eine schöne Ergänzung zu ihrer These, dass es einer Initialzündung bedarf, um sich in den Virtuosen-Olymp zu katapultieren. Insbesondere die Solo-Karrieren von Håkan Hardenberger, Ole Edvard Antonsen und eben Reinhold Friedrich stehen im Mittelpunkt der Arbeit über die Integration der Trompete als Soloinstrument in der Kunstmusik in den vergangenen mehr als 20 Jahren. Seit 1980, so Barth, ist dabei ein „starker Entwicklungsprozess für die solistisch gespielte Trompete“ zu verzeichnen. Hardenberger, Antonsen und Friedrich spielen durch ihre herausragende Stellung im Musikbetrieb und ihre direkte Arbeit mit Komponisten ohne Frage dabei eine wichtige Rolle. In der allmählichen „Kompensierung der romantischen Repertoirelücke“ ist laut Barth daher ein „Zweites Goldenes Zeitalter“ für das Blechblasinstrument heraufgezogen.
Der Weg dorthin war jedoch mehr als steinig. Im historischen Teil verweist Barth auf die Enzyklika „Annus qui“ von Papst Benedikt XIV. aus dem Jahr 1749, in der Pauken und Trompeten aus der Kirchenmusik ausgeschlossen wurden. Dem folgt im 19. Jahrhundert das Bonmot das Kritikerpapstes Eduard Hanslick, wonach es „für Blasinstrumente unpassend sei, Solokonzerte zu spielen“. Im 20. Jahrhundert sieht Barth zunächst auch mehr Unterhaltungsliteratur für die Trompete denn solistische Kunstmusik. Orchesterstücke, in denen ein höherer Anspruch auch an die Blechbläsergruppe gestellt wurden, waren vorhanden. Solowerke von Hindemith oder Saint-Saëns sind für Barth jedoch Ausnahmen in einem ansonsten von Komponisten „der B-Kategorie“ bestimmten Virtuosenrepertoire.
Den Wendepunkt im Konzertbetrieb, die Hinwendung zur Trompete als Soloinstrument, markiert für Barth schließlich das gesteigerte Interesse des Publikums an der Barockmusik, die Erweiterung des Ausdrucksspektrums des Blasinstruments durch den Jazz sowie natürlich das Auftreten der Trompeter Willi Liebe, Adolf Scherbaum und vor allem Maurice André. Mittels zahlreicher Interviews und durch eine insgesamt recht fein gegliederte Darstellung der „Emanzipation der Trompete“ gelingt es der Autorin ein aufschlussreiches Bild des modernen Konzertbetriebs zu entwerfen. Höhepunkt sind dabei freilich die Beschreibungen der Zusammenarbeit von Håkan Hardenberger mit Heinz-Karl Gruber für Aerial, von Ole Edvard Antonsen mit Helge Iberg für Dromo Dance und Reinhold Friedrich mit Caspar Johannes Walter für Vier Stücke gegen den Stillstand. Diese Dissertation bietet einen lohnenswerten Blick in zeitgenössische Komponisten/Solisten-Werkstätten samt ausführlicher Werkbeschreibung und CD.
Christoph Ludewig

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