Lohse, Horst
Die Sirenen noch im Ohr…
für Horn solo in F
Der Titel Die Sirenen noch im Ohr
ist genauso schleierhaft wie die Harmonien des impressionistischen Komponisten Claude Debussy, und man könnte dieses Stück eine Hommage an Debussy nennen. Der Titel bezieht sich nicht auf einen lästigen Tinnitus des Musikers oder auf irgendeinen Notruf, sondern auf Zitate der Hornstimme aus dem letzten Satz Sirènes aus Trois Nocturnes für Frauenchor und Orchester von Claude Debussy. Horst Lohse, mehrfacher Preisträger für Komposition, erinnert an das verführerische Werk Debussys: Wie die menschlichen Frauenstimmen ohne Text singen, wandert der Hornklang bei Lohse durch den Raum zum Ohr der Zuhörer. Mit solchen Klangfarben ist die Musik fähig, Wirklichkeit und Nicht-Wirklichkeit, das Greifbare sowie das Ungreifbare zu simulieren.
Das Stück für Horn solo in F ist dem Nürnberger Hornisten Wilfried Krüger gewidmet und bereits von ihm eingespielt. Der Notentext ist handgeschrieben; eine Seltenheit in der heutigen Zeit, zumal es zahlreiche Computer-Schreibprogamme für Noten gibt. Trotzdem sind die Noten sehr gut leserlich, zudem noch mit einem erfrischenden, menschlichen Aspekt. Die Noten in Bassschlüssel klingen eine Quinte tiefer als notiert, wie sonst auch beim Violinschlüssel, also in F. Das klangvolle Stück ist ruhig bewegt ohne komplizierte Rhythmen oder extreme technische Anforderungen. Es hat allerdings einen ziemlich großen Umfang, der vom notierten Fis bis c”’ reicht. Das Stück beginnt und endet leise. Im Mittelteil wird Flatterzunge in der extrem hohen Lage und auch gestopftes Blasen vom Spieler verlangt. Die Aufführungsdauer beträgt rund vier Minuten.
Gut vorstellbar wäre es, das Stück in einer großen Konzerthalle oder sogar in einer Kirche zu Gehör zu bringen, wo der Klang sich in der hallenden Akustik entfalten kann, oder im Sinn Debussys im Freien zu spielen, wo die Töne unbeschwert über den Wipfeln der Bäume schweben können.
Thomas Swartman