Mehta, Zubin
Die Partitur meines Lebens
Erinnerungen
Zubin Mehta hat ein ebenso verständliches wie profanes Problem: Zu dem Unterfangen, das eigene Leben zu beschreiben, sich gewissermaßen zum Maßstab seiner selbst zu machen, musste er erst überredet werden. Natürlich hat er letztendlich zugestimmt. Mehta gehört zu jenen Autobiografen, die der eigenen Vergangenheit unvermutet rational begegnen; die die zurückliegenden Jahre vor allem beruflich, mit Blick auf die Profession interpretieren und nur selten Privates offenbaren, obgleich man mit Verlaub als überaus prominent gilt.
Zubin Mehta weiß es besser: Seine Bekanntschaft mit Schauspielern wie Gregory Peck, Sophia Loren, Yves Montand oder Danny Kaye sollten nicht zu der Annahme verleiten, dass es ihm auf Glamour ankomme, sondern vielmehr, dass er es schätzt, wenn ein Mensch seine Popularität mit einem guten Zweck oder einem wichtigen Projekt verbindet. Dabei kann Mehta auf ein außergewöhnliches Leben zurückblicken. Der am 29. April 1936 in ein hochmusikalisches Elternhaus geborene Inder, der eine behütete Kindheit erlebte, lernte nur langsam, aber doch zwangsläufig die Welt der Tondichtung kennen. Nach zwei Semestern Medizin fiel die Entscheidung, Musik zur Lebensaufgabe zu machen. Der Rest ist beinahe Geschichte: Lehrjahre in Wien, Dirigiereleve in der Meisterklasse von Hans Swarowsky; Mehta gewinnt einen Dirigierwettbewerb in Liverpool, wird John Pritchards Assistent der Auftakt einer rasanten Karriere. Mehta kommt nach Montreal, wird in Los Angeles engagiert, in New York, Florenz, wird für das Israel Philharmonic Orchestra tätig. Seit 1998 bis zum Saisonende 2006 arbeitet er als Münchener Generalmusikdirektor. Ein Stardirigent, zumal einer der bedeutendsten Orchesterleiter weltweit.
Als Autor steht er in der Tradition nüchtern reflektierender Skribenten, die das Schreiben ernst nehmen, aber ganz bescheiden von all zu viel Spektakel Abstand halten. In seinem Erinnerungsbuch, das anlässlich des 70. Geburtstags erschienen ist und das den pathetischen Titel Die Partitur meines Lebens trägt, spinnt Mehta die feinen Fäden aus Zufall und Talent zu einem imposanten Textgewebe. Er folgt der Chronologie der Ereignisse, um diese zu verlassen, wenn es etwa um musikalische Freunde, Einflüsse, Begegnungen geht, also um das, was ein Dasein letzten Endes komplettiert.
Interessant sind insbesondere jene Teile, in denen Mehta für die Erneuerung der musikalischen Landschaft plädiert, davon schreibt, dass wir nach neuen Wegen suchen müssen, um auch neuere Generationen in die Oper und ins Konzert zu bringen, darin indes recht vage bleibt. Andererseits sinniert Mehta über die Kunst des Dirigierens, des Inspirierens. Zuwendung! Zuhören! Einfühlung! Mehta empfindet sich als Koordinator, als Mahnender, als Mitspieler, bisweilen auch als Despot allerdings im Sinne kontrollierter Organisiertheit. Hier kommt Zubin Mehtas Sehnsucht nach, aber auch sein Glaube an den einen Klang eines Orchesters zum Ausdruck, den er ein ganzes erstaunliches Leben lang sucht. Von dieser Suche handelt sein Buch hauptsächlich.
Oliver Ruf