Bagnoli, Giordio (Hg.)
Die Opern Verdis
Personen, Handlungen, Quellen, Kritiken, Inszenierungen
Bei diesem Titel handelt es sich um eine Neuauflage der bereits 2003 erschienenen deutschsprachigen Ausgabe des in Mailand bei Mondadori S.p.A. verlegten italienischen Originals. Wer dabei eine Aktualisierung zum Jubiläumsjahr erwartet hat, muss enttäuscht feststellen, dass dies wohl nicht der Fall ist: Deutlich wird das vor allem bei den durchaus sorgfältig zusammengestellten bildlichen Dokumentationen von Inszenierungen fast ausschließlich Produktionen italienischer Opernhäuser aus den 1970er bis Ende der 1990er Jahre.
Historisch gesehen ist dies sicher verdienstvoll, die Auswahl wird aber auch für den ausgewählten Zeitraum der Vielfalt und Experimentierfreudigkeit der europäischen Musiktheaterkultur im Hinblick auf die Inszenierungen der Opern Verdis in keinster Weise gerecht. Vielmehr erschöpft sich die bunte Bilderflut in der auf die Dauer eintönigen Wiedergabe opulenter Szenenfotos von in Bühnenbild und Kostümen traditio-
nellen Regiestandards. So wendet sich dieses Buch wohl eher an die älteren Opernfreunde, denen Namen wie Katia Ricciarelli, Mirella Freni, Renato Bruson oder Franco Corelli noch ein Begriff sind.
Einen ähnlichen Eindruck etwas antiquierter Darstellung erhält man von den Texten: Die Inhaltsangaben der Opern jedenfalls in der deutschen Übersetzung hin und wieder grammatikalisch fehlerhaft und stilistisch uneinheitlich sind in der Darstellung umständlich und oft zu lang geraten. Sie werden zum einen durch die Entstehungsgeschichte und den biografischen Hintergrund der jeweiligen Oper kommentiert oft sehr liebevoll mit zeitgenössischen Darstellungen bebildert , wobei den Librettisten Verdis eigene Exkurse gewidmet sind, zum anderen allerdings erst
ab Rigoletto durch theater- und musikwissenschaftlich ausgerichtete anspruchsvollere Werkanalysen verschiedener italienischer Autoren ergänzt. Darunter ist Claudio Casini in Deutschland wohl der bekannteste. Diese Beiträge stammen allerdings, so meine Recherche, aus einem italienischen Opernführer von 1971 (!). So bleiben auch hier neuere Forschungen zu Verdis Werk unberücksichtigt.
Insgesamt vermittelt das Buch den Eindruck, dass die früheren, oft unter Produktionsdruck schnell entstandenen Opern bis zu Stiffelio qualitativ weit hinter den späteren und meistgespielten Meisterwerken zurückstehen keine neue Erkenntnis, sondern eher ein Klischee, das kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren eine der Aufgaben der aktuellen Verdi-Forschung sein sollte.
Wer sich rein informell mit Verdis Opern beschäftigen will, in ästhetischen Fragen im Hinblick auf den aktuellen Stand unerfahren oder unkritisch ist, hat sicher Freude an einem populärwissenschaftlichen Opernführer wie diesem, der wiederum zumindest den konservativ eingestellten Opernkenner zufriedenstellen dürfte, wobei die sachlich meist objektive und dennoch unterhaltsam multimediale Darstellung der historischen Fakten ausdrücklich positiv hervorzuheben ist.
Kay Westermann