Morbach, Bernhard
Die Musikwelt des Barock
Neu erlebt in Texten und Bildern, mit über 50 Werken auf CD-ROM
In den dreißig Jahren seiner Rundfunkarbeit hat sich Bernhard Morbach ein umfassendes Wissen um die alte Musik erworben, weit über sein Studium hinaus, und ist heute eine anerkannte Autorität. Nach Büchern über das Mittelalter und die Renaissance legt er sein drittes über das Barockzeitalter vor. Dabei wirft er nicht nur einen oberflächlichen Blick auf das riesige Gebiet, das durch immer neue Funde ständig erweitert wird wie kann man diese Epoche überhaupt in ein einziges Buch zwingen , sondern leuchtet auch in die Tiefe und gibt einen umfassenden Überblick.
Nun ist Barockmusik dem heutigen Musikhörer durchaus vertraut, auch wenn sich sein Wissen vielleicht auf Bachs Brandenburgische Konzerte oder Händel Wassermusik beschränkt. In diesem Zusammenhang wird auf die so genannte historische Aufführungspraxis kritisch eingegangen wobei Morbach beklagt, dass Barockmusik durch ihre Popularität heutzutage oft als Hintergrundmusik benutzt würde.
Zu Beginn wird Monteverdis Orfeo analysiert, die perfekte Synthese von Text, Handlung, Szene, Gesang und Instrumentalmusik, der die ganze weitere Entwicklung der Oper bis heute bestimmen sollte schon 1607 das vollkommene Kunstwerk. Leitfaden für Morbach ist Johann Matthesons Der vollkommene Capellmeister, dem nicht nur zwei ganze Kapitel gewidmet sind, sondern auf den durch Querverweise immer wieder zurückgekommen wird. Auf den Zahlentheorien von Descartes fußend und von Mattheson pragmatisch weitergeführt und mit praktischen Kompositionsregeln versehen, durchzog die Affektenlehre das ganze Zeitalter. Diesem wichtigen Aspekt gibt Morbach breiten Raum. Musik sollte rühren, doch Mattheson rügt die Komponisten: Oft zielen sie mehr auf die Bewegung der Finger als der Herzen.
Grundbegriffe wie Generalbass oder Concerto werden erklärt und anhand von Bachs Aria mit 30 Veränderungen, den Goldbergvariationen, erfährt man, dass Aria Thema bedeutete. Architektur und Musik werden zueinander in Beziehung gesetzt; ein Kapitel ist den neun wichtigsten europäischen Musikmetropolen von Bologna bis Wien gewidmet, und sogar auf Südamerika wird geschaut; in Nordamerika war Musik bei den Pilgrim Fathers verboten. Auch die Rolle der kreativen Frau in jener Zeit, der Komponistin-Interpretin, wird besprochen. Vieles wird so auf den Punkt gebracht und die Entwicklung manch geläufiger Gattung vom Ursprung her verfolgt. Wer denkt bei Oratorium schon an die eigentliche Bedeutung des Wortes als Bethaus?
Die beigegebene CD-ROM enthält keine Musik wie sollte man diese Fülle auch bändigen , sondern Quellenbeispiele zum jeweiligen Text. Durch Illustrationen und fettgedruckte Stichworte wird der kompakte Satz des Buches aufgelockert. So ist ein umfangreiches Kompendium entstanden, das man gut als Nachschlagewerk benutzen kann. Wer aber das eine oder andere Kapitel wirklich durcharbeitet, wird eine Fülle neuer Erkenntnisse gewinnen und die Musikwelt des Barock, wie der Untertitel verspricht, neu erleben.
Ursula Klein