Pegelhoff, Ralf

Die Macht des scheinbar Nebensächlichen

Betriebsinterne Kommunikation beeinflusst die Produktivität wesentlich

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: das Orchester 04/2008 , Seite 16
"Otto... find' ich gut." Den bekannten Werbeslogan des Handels- und Dienstleistungskonzerns sollen dem Kalkül der Unternehmensleitung nach nicht nur die Kunden zitieren. Auch die eigenen Mitarbeiter und den potenziellen Nachwuchs will das Unternehmen für sich begeistern. So jedenfalls das Ziel einer neuen Personalmarketingstrategie, mit der die Handelsgruppe ihr Arbeitgeberimage ins rechte Licht rücken will. Zweck der Aktion: "Stärkung der Identifikation der Mitarbeiter mit den Unternehmenswerten." Ein Beispiel auch für die Orchester?

Die Entdeckung des eigenen Mitarbeiters als Werbeträger, der mit Begeisterung von neuen positiven Entwicklungen im eigenen Orchester berichtet, steht vielen Leitungsetagen unserer Kulturinstitutionen noch bevor. Ganz im Gegenteil, die häufig anzutreffende Reduzierung der Diskussion auf den „Kostenfaktor Personal“ führt zu Demotivation und innerer Kündigung. Dabei geht es auch ganz anders, und es rechnet sich. „Toyota macht es mit Erfolg vor, aber nur wenige machen es nach: Nur jedes vierte Unternehmen hört auf seine Mitarbeiter, wenn es um Verbesserungen in der Produktion geht. Dabei sind die Einsparmöglichkeiten enorm. […] So konnten 2006 über 10 Prozent der Konzerne, die Tipps der Mitarbeiter umsetzten, dadurch über 10 Millionen Euro einsparen. Spitzenreiter sei die Deutsche Post mit 271 Millionen, gefolgt von Volkswagen mit 168 Millionen und Siemens mit 158 Millionen Euro.“ (2)
Der Vergleich mit börsennotierten weltweit tätigen Unternehmen mag dem ein oder anderen etwas fremd vorkommen. Es gibt allerdings auch bei uns viele Kollegen, die Vorschläge zur Verbesserung der Betriebsabläufe haben, zur Spielplangestaltung, zur Entzerrung von Dienstballungen und damit Fehlzeiten begünstigenden Dienstplänen etc. Welches Einsparpotenzial damit verbunden wäre, ist momentan nur zu vermuten. Fest steht, dass sich eine Reihe von Ausgaben vermeiden ließe.

Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln (3)
Die Gallup Organisation (4) hat in den vergangenen 25 Jahren zwei Feldstudien betrieben, in denen eine Million Arbeitnehmer und über 80000 Führungskräfte befragt wurden. Die erste dieser Studien galt den Beschäftigten mit der Fragestellung, wie der Arbeitsplatz aus der Sicht der talentierten Beschäftigten beschaffen sein sollte, was sie brauchen, um wirklich produktiv sein zu können. Das zentrale Ergebnis ist so einfach wie verblüffend: „Fähige Mitarbeiter brauchen fähige Vorgesetzte. Anlocken lässt sich ein guter Mitarbeiter gewiss aus den unterschiedlichsten Gründen. Doch wie lange er bleibt und wie produktiv er in dieser Zeit ist, hängt in erster Linie von seinem Verhältnis zum disziplinarischen Vorgesetzten ab.“ (5)
Die zweite Studie setzte betriebliche Leistungsdaten, also Umsatz, Gewinn, Produktivität, Kundenzufriedenheit etc. in Korrelation mit der Mitarbeitermeinung zum Unternehmen und dem Verhalten von Führungskräften, um folgende Fragestellungen zu ergründen: Gibt es etwas, was talentierte Mitarbeiter immer brauchen, um produktiv zu sein? Gibt es etwas, das ein guter Vorgesetzter immer braucht, wenn er aus fähigen Mitarbeitern das Optimale herausholen will? Gibt es also zeitlose Geheimnisse dafür, wie man begabte Mitarbeiter voll zur Entfaltung bringen kann? Was tun die erfolgreichsten Unternehmen?

Mitarbeiterloyalität als Produktivitätsfaktor
In einigen Unternehmen hat man begonnen, mehr darauf zu achten, wie mit den Menschen umgegangen wird. Dort begreift man offensichtlich allmählich, „dass die wertvollsten Aspekte eines Arbeitsplatzes – und dies gilt für den Softwareentwickler genauso wie für den Auslieferungsfahrer, für den Buchhalter nicht weniger als für die Hotelreinigungskraft – heute […] im Erfassen, Bewerten, Herstellen und Entwickeln von Beziehungen zu sehen sind“. (6) Dabei ist es sicherlich keine umwerfend neue Erkenntnis, „dass gute zwischenmenschliche Beziehungen und häufiges Lob wesentlich zu einem gesunden, leistungsfördernden Umfeld beitragen“. (7) (Ergänzend muss mit einem Lob aber auch eine spürbare persönliche Wertschätzung verbunden sein, ansonsten kann ein Lob durchaus kontraproduktiv wirken.)
In Zeiten der Globalisierung scheint manchmal allerdings das genaue Gegenteil alleinige Realität zu sein. Trotzdem gibt es genügend Anzeichen für gegenläufige Tendenzen. Die Studie der Gallup Organisation gibt deutliche Hinweise in diese Richtung.

Vitales Arbeitsumfeld als Voraussetzung für erfolgreiche Unternehmensführung
Woran lässt sich ein vitales Arbeitsumfeld messen? Mit dieser zentralen Fragestellung machte sich die Gallup Organisation auf den Weg zur ersten branchenübergreifenden Studie zum Zusammenhang zwischen Mitarbeitermeinung und Betriebsleistung. Nach einer Vielzahl von Untersuchungen ergaben sich abschließend zwölf Fragen, die jene Kernelemente „messen“, die ein erstklassiges Arbeitsumfeld ausmachen, jene Elemente, die „unverzichtbar sind, will das Unternehmen erstklassige Mitarbeiter gewinnen, an sich binden und produktiv beschäftigen“. (8) Acht der zwölf Kernfragen seien hier genannt:

>    Weiß ich, was bei der Arbeit von mir erwartet wird? (1)
>    Habe ich in den letzten sieben Tagen für gute Arbeit  Anerkennung und Lob bekommen? (4)
>    Interessiert sich mein Vorgesetzter oder eine andere Person bei der Arbeit für mich als Mensch? (5)
>    Gibt es bei der Arbeit jemanden, der mich in meiner Entwicklung unterstützt und fördert? (6)
>    Habe ich den Eindruck, dass bei der Arbeit meine Meinungen und Vorstellungen zählen? (7)
>    Sind meine Kollegen bestrebt, Arbeit von hoher Qualität zu leisten? (9)
>    Habe ich innerhalb der Firma einen guten Freund? (10)
>    Hat in den letzten sechs Monaten jemand in der Firma mit mir über meine Fortschritte gesprochen? (11)

Auch wenn die einzelnen Fragen im ersten Moment vielleicht simpel klingen, dahinter verbergen sich komplexe Zusammenhänge, die eben genau den Zusammenhang zwischen Wirtschaftlichkeit und Mitarbeitermeinung und damit auch den Zusammenhang zwischen Effektivität und Humanität beleuchten. Um letzte Missverständnisse auszuräumen: Es geht nicht um „Piep, Piep, Piep, wir haben uns alle lieb!“ Es geht um harte Fakten, denn die Mitarbeiter vieler wirtschaftlich erfolgreicher Unternehmen beantworten die Fragen dieser Studie mit ja. Für ein umfassenderes Verständnis der Zusammenhänge empfiehlt sich die Lektüre des o.a. Buches über die Konsequenzen der Langzeitstudie. Nur soviel als Ergänzung:
Einer der wichtigsten Wissenschaftler der Gallup Organisation ist John Clifton, der als Pionier auf dem Gebiet der systematischen Erforschung von individuellen Stärken gilt. Die Empfehlung dieser Studie an Manager und Vorgesetzte mündet – und dies ist sicher nicht verwunderlich – in dem Rat, Sorge dafür zu tragen, dass möglichst viele dieser Fragen mit einer möglichst positiven Einschätzung beantwortet werden.

Professionalisierung von Personalmanagement als Ziel
Die Notwendigkeit zur Verbesserung von Management für Orchester ist auch in dieser Zeitschrift bereits thematisiert worden. (9) Eine Professionalisierung des Personalmanagements ist ebenso notwendig und wird eine wichtige orchesterinterne Herausforderung der näheren Zukunft sein. Auch wenn viele wohlmeinende Verantwortliche in unseren Orchestern der Meinung sind, dass sich doch vieles „irgendwie regeln lassen müsste“, die Ernüchterung nach jahrelangen fruchtlosen Auseinandersetzungen lässt professionelle Beratung zumindest als folgerichtig erscheinen. Inwieweit es möglich sein kann, das Thema Personalentwicklung fest in unseren Orchestern zu etablieren, bleibt abzuwarten. Allerdings wird sich auch an dieser Fragestellung die Überlebensfähigkeit unserer Orchester erweisen. Wir brauchen nicht nur gute Manager, sondern auch qualifizierte Personalverantwortliche und eben möglichst viele Orchesterkollegen, die sich wertgeschätzt fühlen und damit ihr bestmögliches Engagement einbringen. Dies wird ein wichtiger Baustein sein, um die Zukunft der deutschen Orchester erfolgreich zu gestalten.

1 Nicole Bußmann: Editorial in: ManagerSeminare, Heft 118, Januar 2008, S. 3.
2 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,519770,00.html
3 Marcus Buckingham/Curt Coffmann: Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln, Frankfurt am Main 2005, 3. Auflage.
4 Die Gallup Organisation gilt als eine der weltweit führenden Management Consulting Firmen. Das Kerngeschäft von Gallup beinhaltet die Messung und Verbesserung der aus dem „Humankapital“ resultierenden Leistungsergebnisse von Unternehmen. Gallup nimmt für sich in Anspruch, das erste Unternehmen der Welt zu sein, das auf der Basis von forschungsgestützten Ansätzen Emotionen und Einstellungen misst und daraus Leistungsindikatoren generiert. Dadurch wird es möglich, das Mitarbeiterengagement zu erhöhen und letztendlich die Produktivität eines Unternehmens zu verbessern (http://germany.gallup.com).
5 Buckingham/Coffmann, a.a.O., S. 10.
6 ebd., S. 16.
7 ebd., S. 22.
8 ebd., S. 21.
9 s. a. Ulrich Ruhnke: „Make friends. Der 4. Deutsche Orchestertag“, in: Das Orchester, 2/07, S. 22 ff.