Die Lust an der Wiederholung

Werke von Georg Friedrich Händel, Nicola Matteis, Georg Muffat, Dietrich Becker, Andrea Falconieri, Maurizio Cazzati, Antonio Vivaldi, verschränkt mit Kompositionen von Klaus Burger

Rubrik: CDs
Verlag/Label: www.klaus-burger.com
erschienen in: das Orchester 01/2005 , Seite 90

Diese CD – eine Entdeckung! Klingt der Titel eher harmlos und mag die Verbindung mit dem Aktionskünstler Klaus Burger auf eine überflüssige Crossover-Produktion hindeuten, zieht einen der Beginn gleich in Bann. Die einleitende Händel-Passacaille geht nahtlos über in Klaus Burgers Händeley für Didgeridoo, dem Instrument der Ureinwohner Australiens, ohne dass dies als Bruch empfunden wird. Mit Erstaunen stellt man hier und auch in den späteren Sätzen die Gleichheit musikalischer Mittel unter dem Leitgedanken der musikalischen „Wiederholung“ fest: rhythmische Ostinati im Bass über sich variativ entwickelnden Oberstimmen. Dies funktioniert bei einer Muffat’schen Ciacona ebenso wie bei einer Burger’schen Improvisation für Tuba oder einer Elegie für Muschelhorn.
Das klangliche und musikalische Ergebnis ist verblüffend, zumal die Musiker die verschiedenen Konzertbeiträge in ihrem Konzert am 7. Februar 2003 im Südwestrundfunk Studio Freiburg verschränkten, durch Aufgreifen und Weiterspinnen des musikalischen Materials. Das macht es mitunter schwierig festzustellen, wo die Barockmusik aufhört und Klaus Burgers Komposition beginnt: Der Bogen von Alt zu Neu wird gespannt, beides erwächst organisch jeweils aus dem anderen.
Faszinierend geraten auch die Interpretationen: spielerisch-brillant, durchsichtig und mit Mut auch zu ungewohnten Klangeffekten das auf Alte Musik spezialisierte Ensemble Parnassi musici mit Margaret MacDuffie und Matthias Fischer (Violine), Stephan Schrader (Violoncello) und Martin Lutz (Cembalo, Orgel). Klaus Burger steht mit seinen exotischen Instrumenten – zu den bereits erwähnten kommt noch ein Cimbasso (eine Bassposaune mit Ventilen) hinzu –
in nichts nach: Virtuosität und Klangsinnlichkeit, verbunden mit gelegentlichen Geräuscheffekten. Als Höhepunkt seiner Darbietungen dürfen aus dem zweiten Konzertteil, der nicht vom Ineinanderfließen, sondern vom Kontrast der Musiken lebt, seine Metamorphosen „in und um und um ein umzechtes Thema herum“ für Cimbasso und Schlauchtubasysteme angesehen werden – eine Parodie auf Avantgarde und volkstümliche Unterhaltungsmusik zugleich. Die „historisch“ musizierenden Parnassi musici vermögen dagegen bei den furiosen Variationen eines Andrea Falconieri wie bei der Follia-Sonate von Antonio Vivaldi Glanzlichter zu setzen. Und die gemeinsamen Auftritte oder Überleitungen geraten zu musikalischen Leckerbissen.
Das Konzept der CD mag überraschen. Doch darf man sich davon nicht abschrecken lassen: Dieser CD zuzuhören ist ein reiner Genuss – sie gehört in den Plattenschrank eines jeden Klassikhörers, der Freude an inspirierten Interpretationen und geistreicher Programmgestaltung hat. Lust an der Wiederholung – man bekommt sie bei dieser originellen CD wirklich! Lust an den Techniken des Basso ostinato und der Variation, aber nicht minder am Musizieren von Klaus Burger und dem Ensemble Parnassi musici.
Wolfgang Birtel