Cheah, Elena

Die Kraft der Musik

Das West-Eastern Divan Orchestra, mit einem Vorwort von Daniel Barenboim

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bertelsmann, München 2009
erschienen in: das Orchester 02/2010 , Seite 64

Musik ist die universale Sprache, denn wo die Sprache versagt, vermag die Musik einzuspringen. Sie öffnet die Herzen über alle Nationalitäten hinweg und überbrückt Gegensätze. Das hat sich Daniel Barenboim erträumt, als er vor zehn Jahren gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Edward Said das West-Eastern Divan Orchestra gründete, in dem Palästinenser und Israelis im gemeinsamen Musizieren zur Völkerverständigung beitragen wollen. Über die Idee, von der dieses Ensemble beflügelt ist, und auch über die Konflikte, die das instrumentale Miteinander zu gefährden drohen, informiert das Buch der in der Berliner Staatskapelle, dem Orchester der Deutschen Staatsoper, ausgebildeten Amerikanerin Elena Cheah. Es wird präludiert durch ein Vorwort von Daniel Barenboim und beschwört schon im Titel “Die Kraft der Musik”.
Es geht bei den vereinten künstlerischen Anstrengungen um den Frieden im Nahen Osten, den die Musiker mit anderen Mitteln zu erzielen suchen als die Politiker. Davon erzählen einige Instrumentalisten, befragt von der seit drei Jahren dem Orchester angehörenden Cellistin Elena Cheah, die 2006 von Maestro Barenboim angeregt wurde, die jungen Divan-Musiker zu unterrichten. Zu diesem Zeitpunkt, kurz vor dem geplanten Workshop, war im Libanon der Krieg zwischen Israel und den Hisbollah ausgebrochen. Die libanesischen Musiker konnten ihr Land nicht verlassen und andere arabische Kollegen hielten es angesichts der Situation für unmöglich, am Workshop teilzunehmen, sodass fremde Berufsmusiker einspringen mussten. Spannungen blieben nicht aus. Barenboim hatte eine Anti-Kriegs-Erklärung entworfen, die, in den Konzertprogrammen abgedruckt, sich gegen Israel wie gegen die Hisbollah gleichermaßen richtete.
Elena Cheah bringt in ihrer Publikation die jungen Kollegen, Israelis, Palästinenser, Ägypter, Jordanier usw. zum Reden. Deren Schicksale ermöglichen es dem Leser, das Orchester kennen zu lernen, und akzentuieren Daniel Barenboims Vision, Hass und Unverständnis im Dauerkonflikt des Nahen Ostens abzubauen. Nichts anderes als Völkerverständigung ist sein Ziel bei den politischen Diskussionen wie beim Proben und Konzertieren. Dass dies schon in einer kleinen Gruppe nur mit Mühe zu erreichen ist, teilt sich dem Leser bei der Lektüre dieses Buches mit, denn die Differenzen zwischen den Orchestermitgliedern werden nicht unter den Teppich gekehrt, sondern offen ausgetragen.
Sehr nützlich, dass Elena Cheah ihrer Darstellung eine Zeittafel mitgibt, die dem Rezipienten den politischen Durchblick erleichtert, und sie lässt auch die Witwe von Edward Said, dem Mitbegründer des West-Eastern Divan Orchestra zu Wort kommen, von dem auch die Dankesrede abgedruckt ist, die er 2002 bei der Verleihung des Prinz-von-Asturien-Preises hielt. Die Auszeichnung wurde ihm und Barenboim gemeinsam für ihr völkerverbindendes Engagement verliehen.
Heide Seele

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