Link, Almuth
Die Klavierstimmerin
Wenn eine Autorin oder ein Verlag ein Buch mit einem Titel versehen, der einem Buchtitel der derzeit bekanntesten deutschsprachigen Autorin und aktuellen Literatur-Nobelpreisträgerin zum Verwechseln ähnelt, dann kann dies nur als gedankenlos bezeichnet werden. Dazu kommt, dass
es in beiden Werken Almuth Links Die Klavierstimmerin und Elfriede Jelineks Die Klavierspielerin um einen Mutter-Tochter-Konflikt geht. Der Vergleich stellt sich jedenfalls unweigerlich ein, und Almuth Links Buch tut diese Nähe zu einem übermächtigen Vergleichsobjekt nicht gut.
Die Ich-Erzählerin Dorothea Abt breitet ihr Leben vor uns aus: ihre Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen; ein blinder Vater, der als Klavierstimmer die Familie mehr schlecht als recht ernährt; eine Mutter, die immer ein Kind geblieben ist und mit ihren peinlichen Auftritten der Tochter das Leben schwer macht. Nach dem frühen Tod des Vaters muss Dorothea die Schule abbrechen und tritt als Klavierstimmerin in des Vaters Fußstapfen bis sie endlich ihre große Liebe Alexander kennen lernt
Gegen Ende des Romans erfahren wir, dass es sich bei diesem Text um Dorotheas Aufzeichnungen für ihre Ziehtochter Tina handelt. Dadurch erhalten Form und Inhalt zwar eine hohe Plausibilität, doch die Problemlage dieses Romans verändert sich dadurch nicht. Dieser Text ist so, wie auch wir ihn in unser Tagebuch hätten schreiben können mit allen Unzulänglichkeiten: oftmals langatmig, umständlich, sich im Detail verlierend
Doch möchte man so etwas wirklich lesen? Was für persönliche Aufzeichnungen unproblematisch ist, taugt nicht als literarische Form sofern sie so unreflektiert daherkommt, wie im vorliegenden Fall.
Hinzu kommen terminologische Ungenauigkeiten (auf einer Trompete kann man keinen Dreiklang spielen) und mangelnde Stringenz in Details: Einerseits werden detailliert real existierende Straßennamen genannt, andererseits wird ein für die Handlung wichtiger Kurort nicht namentlich bezeichnet.
Schlimmer jedoch ist das völlige Auseinanderbrechen der Großform am Ende des Romans. Die Aufzeichnungen der Erzählerin werden beendet mit einem Brief an Tina, der das düstere Geheimnis, das uns Lesern bereits auf dem Klappentext angekündigt wurde, aufdeckt. Ein Trick, der Almuth Link erlaubt, die Leser länger auf die Folter zu spannen, inhaltlich jedoch völlig unbegründet ist handelt es sich doch beim gesamten Text um Aufzeichnungen, die allein für Tina bestimmt sind: Welchen Grund sollte es geben, beim Abfassen der Aufzeichnungen das Geheimnis für sich zu behalten und erst am Ende in einem gesonderten Brief zu lüften?
Im letzten Kapitel verlässt Link den Erzählstil in der ersten Person und schwenkt um in eine auktoriale Sichtweise, die inhaltlich wenig Neues bringt. Damit jedoch zerstört sie gänzlich unnötig die bis dato zumindest sinnfällige Form. So bleibt der Roman letzten Endes so bieder wie das Leben, das er beschreibt.
Rüdiger Behschnitt


