Dunajewski, Isaak

Die Kinder des Kapitän Grant (Ouvertüre)

für Bläserquintett und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Sikorski, Hamburg 2011
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 68

Diese Neuerscheinung der Ouvertüre von Isaak Ossipowitsch Dunajewski, bearbeitet für Bläserquintett und Klavier von Vladimir Genin, rückt einen russischen Komponisten in den Blickpunkt, der mit Sicherheit ausschließlich im osteuropäischen Kulturkreis Bekanntheit und in Russland sogar Berühmtheit erlangt hat. Er wurde im Jahr 1900 in der Ukraine geboren und ist in Moskau 1955 gestorben. Nach einer klassischen Konservatoriumsausbildung wandte er sich in den 1930er Jahren der leichten Muse, d.h. der Unterhaltungs- und Filmmusik zu. Damit erreichte er bis in die 1940er Jahre große Popularität.
Die Sextettbearbeitung des Komponisten und Pianisten Vladimir Genin geht zurück auf eine Filmmusik, die Dunajewski 1936 zu dem Film Die Kinder des Kapitän Grant schrieb. Dabei handelt es sich um die Verfilmung eines Romans des französischen Autors Jules Verne, der erstmals 1867/68 in drei Bänden unter dem französischen Titel Les Enfants du Capitaine Grant erschien. Unter der Regie von Wassili Schurawlew wurde dieser Stoff 1936 in der Sowjetunion verfilmt.
So machte Dunajewski durch seine Filmmusik, die stets heiter und erfolgreich war, seine Operetten und Lieder, die zu Schlagern wurden, durch Hymnen, Märsche und Walzermusik in der Stalin-Ära eine beispiellose Karriere und schaffte somit einen kometenhaften Aufstieg. Seine Musik ist bis heute für die ältere Generation in Russland ein klingendes Symbol für ihre Kindheit und Jugend geblieben.
Allerdings war Dunajewski nicht nur als Komponist überaus erfolgreich, sondern auch als Funktionsträger in Kultur, Politik und Gesellschaft des stalinistischen Systems. So war er u.a. Stalin-Preisträger, Mitglied im zentralen sowjetischen Komponistenverband und Abgeordneter der Du­ma, des Obersten Sowjets. Nach 1945 litt der gläubige Kommunist unter dem Antisemitismus der Nachkriegsära und konnte bis zu seinem Tod 1955 nicht mehr an seine einstigen Erfolge anknüpfen.
Dieses glänzende Arrangement aus der Feder von Vladimir Genin ist im Zusammenspiel der fünf Bläser mit dem sehr solistisch behandelten Solopart des Klaviers eine gelungene Rarität. Auf Grund der Kürze – das Stück dauert ca. sieben Minuten – ist es daher bestens geeignet für eine wirkungsvolle Zugabe. Musikalisch ist diese Bearbeitung eher in Richtung U-Musik einzuordnen. Die Tonsprache ist in ihrer dramatischen Emphase (Einleitung) und ihrer empfindsamen Melodieführung (Mittelteil) eindeutig der ausdrucksvollen russischen Seele zuzuordnen – Rachmaninow und Tschaikowsky lassen grüßen.
Das Stück ist ein Auftragswerk einer Münchner Kammermusikverei­nigung, dem ArteTonal Ensemble, und zur Aufführung bestens zu empfehlen.
Alfred Rinderspacher