Janácek, Leoš

Die Jugend

Bläsersextett, Partitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Prag 2010
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 70

1924, im Jahr seines 70. Geburtstags, entstanden einige literarische und musikalische Arbeiten, mit denen Leoš Janácek in die Zeit seiner Kindheit zurückkehrte. Eine besonders schöne Komposition dieser Schaffensphase, das Bläsersextett Mládí (Die Jugend), wurde kürzlich von Jan Doležal und Leoš Faltus in einer gleichermaßen wissenschaftlich wie aufführungspraktisch vorbildlichen Edition für Bärenreiter erarbeitet.
Im ausführlichen Vorwort erläutert Jirí Zahrádka die kompositorische Entstehungsgeschichte und die ersten Aufführungen des Werks. Janácek wählte wohl deshalb ein um Bassklarinette erweitertes klassisches Bläserquintett für diese Jugendreminiszenz, weil er gerade mit der Bläserharmonie die Erinnerung an das Musizieren im Altbrünner Kloster verband, wo er seine erste Ausbildung erhalten hatte. Zudem arbeitete er in die viersätzige Komposition seinen ebenfalls im Entstehungsjahr des Bläsersextetts konzipierten Marsch der Blaukehlchen ein, der an die Uniformen des Knabenchors im Altbrünner Königinkloster erinnert, dem Janác?ek von 1865 bis 1869 angehörte.
Jugendlichen Interpreten wollte der Komponist dann auch die Uraufführung seines Bläsersextetts anvertrauen; allerdings waren die Studenten des Prager Konservatoriums mit den spieltechnischen Schwierigkeiten des Stücks und den vor Alterationszeichen strotzenden Tonarten hoffnungslos überfordert. Professoren aus Brünn sowie Orchestermusiker des Nationaltheaters brachten das Werk dann schließlich doch zum Erklingen. Aber nun verhinderten Defekte an der Klappentechnik von Oboe und Klarinette den reibungslosen Ablauf der Uraufführung: Der letzte Satz erklang gar ohne Klarinette lediglich als Quintett. Das ahnungslose Publikum spendete gleichwohl stürmischen Applaus – Janác?ek jedoch war außer sich. Bald darauf aber folgten gelungene Aufführungen in Zagreb, London und Berlin zur Zufriedenheit des Komponisten, die auch von Zuhörerschaft und Kritik begeistert aufgenommen wurden.
Die neue Bärenreiter-Edition folgt der kritischen Gesamtausgabe un-ter Einbeziehung der sechs wichtigsten Quellen. Das Aufführungsmaterial kommt den ausführenden Musikern unserer Tage mit einer vorzüglichen Ausarbeitung der Instrumentalstimmen entgegen: Stichnoten im hervorragend lesbaren Notensatz erleichtern die häufigen Rhythmus- und Tempowechsel, zum Umblättern ist stets genug Zeit vorhanden und Ziffern im Notenbild schützen vor möglicher Verwirrung bei Ton- und Taktrepetitionen. So gelang eine wissenschaftlich einwandfreie Urtextausgabe mit praxisorientiertem Aufführungsmaterial.
Bernd Distelkamp