Griffiths, Howard

Die Hexe und der Maestro

Eine märchenhafte Orchestergeschichte. Musik von Fabian Künzli, illustriert von Karin Hellert-Knappe, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hug, Zürich 2012
erschienen in: das Orchester 02/2013 , Seite 56

Howard Griffiths schreibt hier eine wirklich märchenhafte Geschichte über ein Dorf, in dem jedes Haus von einer anderen Instrumentenfamilie bewohnt und dementsprechend ausgestattet ist. Im Garten der Holzbläser wächst Schilf für die Blättchen, das Haus der Perkussionsfamilie hat besonders dicke Wände und das der Streicher die größten Räume, damit auch Großvater Kontrabass Platz hat. Nebenbei lernen Leser so die Stimmung von Saiten kennen, erfahren, wie Bögen beschaffen sind, und erleben den Ablauf einer Orchesterprobe mit.
Wie jedes Märchen hat auch dieses eine „böse“ Figur: eine Hexe, die so fies ist, dass sich niemand auch nur in ihre Nähe traut. Nachdem sie eine wichtige Probe stört und das Orchester verhext, macht sich der Dirigent mutig auf den Weg zu ihr in den Wald, denn ein Märchen braucht eben auch einen Helden. Schon aus der Ferne hört er wunderschönste Geigenklänge und erfährt zu seinem Erstaunen, dass die Hexe schon seit ihrer Kindheit heimlich Geige spielt, obwohl das Hexen eigentlich nicht erlaubt ist und ihre Eltern der Meinung waren, sie solle „etwas Sinnvolles tun“. Mit Hilfe des Dirigenten wird die Hexe als Solistin ins Orchester und als Teil der Gemeinschaft ins Dorf aufgenommen – alles dank der gemeinsam gespielten Musik.
Die CD zum Buch verleiht der Erzählung einen ganz eigenen Charme. Fabian Künzli hat für die Geschichte rund um die Hexe, die eine verbotene Liebe zur Musik entdeckt, facettenreiche Musik komponiert, die ohne didaktisch sein zu wollen verschiedenste Varianten der Orchestermusik vorstellt. Hinzu kommt Carmen-Maja Antonis markante und charmante Art zu lesen. Die Zuhörer werden hier wundervoll dezent angeregt, sich ihre eigenen Bilder zu den Klängen zu schaffen, denn Musik und Erzählung wechseln sich hier teils ab und gehen teils eine inspirierende Symbiose ein.
Der Kombination aus Geschichte, Musik, Vertonung und Illustration ist eindeutig anzumerken, dass alle Beteiligten selbst praktische Musiker sind, was besonders in der Gestaltung des Dirigenten durch Howard Griffiths deutlich wird: ein Mann, der einfühlsam und unter persönlichem Einsatz eine Gemeinschaft zusammenhält, die sich ihrerseits selbst hinterfragt und sich Neuem stellt. Hinzu kommen die sozialen Prozesse in einer Gemeinschaft sowie – mit einem Augenzwinkern – Klischees über Inst­ru­mentalisten. Es schwingt so immer wieder ein subtiles Wissen über Musik, Musikschaffende und musikalische Prozesse mit, was das Buch auch für Erwachsene lesenswert macht und gerne den ab und an aufschimmernden Zeigefinger überlesen lässt. Denn schließlich stimmt, was am Ende der Geschichte noch einmal verdeutlicht wird: Jeder kann ein Instrument lernen, und somit kann jeder zaubern lernen.
Judith Ph. Franke