Mendelssohn Bartholdy, Felix
Die Hebriden
Konzert-Ouvertüre op. 26, Studienpartitur
Felix Mendelssohn Bartholdy hat mit “Die Hebriden” einen neuen Musiktyp ausgebildet: den der programmatischen Konzertouvertüre, die als selbstständiges Konzertstück keine in eine Oper oder ein Schauspiel einstimmende Funktion mehr besitzt. Das Werk gilt denn auch als einer der bedeutendsten Vorläufer der sinfonischen Dichtung, und Franz Liszt hat sich denn auch darauf berufen. Die Komposition erwuchs aus einem plötzlichen musikalischen Einfall vom 7. August 1829, den Mendelssohn einem Brief aus Tobermory (dem einzigen Hafen der Hebriden-Insel Mull) seiner Familie nach Berlin mit folgenden Worten schickte: Um zu verdeutlichen, wie seltsam mir auf den Hebriden zu Muthe geworden ist, fiel mir soeben folgendes bey und nun folgt eine vollständige Skizze der ersten 21 Takte des Werks.
Freilich bereitete ihm sowohl die Komposition als auch der Werktitel einige Probleme. Eine erste Fassung schloss er im Dezember 1830 in Rom ab. Er überarbeitete sie und schenkte die neue Partitur 1832 der London Philharmonic Society. Zugleich stellte er auch eine Klavierfassung her. Die Erstausgabe der Partitur mit weiteren Varianten erschien dann erst 1835, also sechs Jahre nach dem ersten Einfall. Zunächst sah Mendelssohn als Werktitel “Ouvertüre zur einsamen Insel” vor; 1830 wählte er den Titel “Die Hebriden”, 1832 aber “Overture to the Isles of Fingal”. Die Erstausgabe von 1835 führte hingegen den Titel “Die Fingals-Höhle”. Die Erstausgabe der Stimmen aus dem Vorjahr 1834 war hingegen zum Titel Die Hebriden zurückgekehrt, an dem Mendelssohn dann selbst festhielt.
Christopher Hogwood, der durch die historisch-authentische Aufführungspraxis philologisch bestens geschulte, namhafte Dirigent, begnügt sich mit seiner Edition dieses epochalen Werks keinesfalls mit einem Abdruck einer Fassung letzter Hand. Vielmehr teilt er auch zugleich die Varianten der ersten Fassung mit, die markante Instrumentationsretuschen, andere Stimmführungen und an zwei Stellen auch Taktfolgen aufweisen, die Mendelssohn dann gekürzt hat. Hogwood hat dabei seine Edition in einer unmissverständlichen Form so angelegt, dass beide Fassungen problemlos nach seiner Ausgabe aufgeführt werden können. Auf diese Weise bietet diese typografisch mustergültig gestaltete Ausgabe sowohl den Musikern als auch den Musikologen Neues. Zudem teilt er mit einer Einführung gedrängt alles Wissenswerte zum Werk mit, das übrigens selbst noch den Antisemiten Richard Wagner begeisterte: Da ist Alles wundervoll geistig geschaut, fein empfunden und mit grösster Kunst wiedergegeben. Die Stelle, wo die Oboen allein durch die anderen Instrumente hindurch klagend wie der Wind über die Wellen des Meeres zur Höhe steigen, ist von ausserordentlicher Schönheit.
Giselher Schubert