Ludwig van Beethoven

Die Geschöpfe des Prometheus

Cappella Aquileia, Clemens Weigel (Cello-Solo), Ltg. Marcus Bosch

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: cpo
erschienen in: das Orchester 7-8/2023 , Seite 68

Nur eine Oper hat Beethoven bekanntlich geschrieben: Fidelio. Doch das war weder seine einzige Begegnung mit der Bühne noch seine einzige Komposition fürs Theater. Es gibt von ihm Schauspielmusiken und Ballette, eines gar noch aus Bonner Zeit. Bekannt sind freilich fast immer nur die Ouvertüren zu diesen Projekten, etwa zu Egmont, König Stephan, den Ruinen von Athen – oder eben zu Die Geschöpfe des Prometheus. Dieses Werk ist in seiner Gesamtheit eine gut einstündige Ballettmusik zu einem Tanzstück des seinerzeit berühmten Choreografen und Tänzers Salvatore Viganò, das dieser in Wien herausbrachte. Das mythologische Ballett ist auch als eine Art Hommage an Napoleon zu deuten – und so überrascht es nicht, dass es motivische Verbindungen vom Ballett-Finale zum Finale der usprünglich einmal Napoleon gewidmeten 3. Sinfonie, der Eroica, gibt.
Die Cappella Aquileia, das 2011 gegründete Orchester der Opernfestspiele im baden-württembergischen Heidenheim, hat sich unter ihrem Leiter Marcus Bosch nun der kompletten Musik Beethovens zu dem Ballett Die Geschöpfe des Prometheus angenommen. Dirigent und Orchester setzen damit ihre CD-Reihe mit Beethovens Theaterkompositionen, d. h. mit den Einspielungen der vollständigen Musiken, die auf die oben erwähnten Ouvertüren folgen, fort. Die jüngste Aufnahme ist dabei ein zündender Volltreffer. Man verzeihe die billige Metaphorik, aber sie passt hier einfach zu gut. So wie Prometheus den Menschen das Feuer brachte, so entfaltet diese neue Beethoven-CD auf fulminante Weise das gewaltige Feuer, das in dieser Musik steckt. Dies ist bereits vom ersten Takt der Ouvertüre an zu spüren: Da kribbelt es ganz gewaltig!
Marcus Bosch motiviert sein Orchester zu einem brillanten, luftigen und hellwachen Spiel. Die Fülle der dynamischen Nuancen und klangfarblichen Schattierungen ist verblüffend – dazu tragen auch die herrlichen Soli des Cellisten Clemens Weigel und anderer bei. Ganz besonders faszinieren überdies die effektvoll eingesetzten Steigerungen des Tempos, die immer wieder in fast schon rauschhafte Ekstase führen. Das ist Sinnenkitzel pur – und lässt trotz fehlender Optik vor dem inneren Auge der Hörerinnen und Hörer ein pralles Bewegungstheater entstehen.
Die Wiedergabe ist so überragend frisch und mitreißend, so vibrierend in ihrem Charakter, dass sich die Frage nach aufführungspraktischen Prämissen erst gar nicht stellt. Es ist ein gutes Zeichen, dass heute ein derart spannungsvolles und idiomatisches Musizieren bei Beethoven möglich ist – und dabei niemand mehr nach der Verwendung historischer oder moderner Instrumente oder der Einhaltung bestimmter aufführungspraktischer Regeln fragen muss.
Karl Georg Berg

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