Bontrup, Heiner / E. Dieter Fränzel

Die Ernst Höllerhagen Story

Wiederentdeckung einer Swinglegende. Ein Jazzmusiker zwischen Nationalsozialismus und Wirtschaftswunder

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: NordPark, Wuppertal 2011
erschienen in: das Orchester 09/2011 , Seite 71

Er galt als eines der größten Ausnahmetalente des deutschen Jazz. Als musikalisches Wunderkind in Wuppertal geboren, kam Ernst Höllerhagen als aufsteigender Jazz-Star nach Berlin. Dort wurde er 1932 zum besten Saxofonisten Deutschlands, nachdem seine Karriere gerade mal zwei Jahre zuvor in Hamburg begonnen hatte. Dem nationalsozialistischen Deutschland entflohen, ging Höllerhagen, weil er „lieber mit Benny Goodmans Musik sterben als mit Marschmusik leben“ wollte, ins Exil in die Schweiz.
Eine Biografie setzt dem Vergessenen zu seinem 100. Geburtstag im nächsten Jahr jetzt ein Denkmal. Zwei Jahre lang haben Heiner Bontrup und E. Dieter Fränzel recherchiert, Zeitzeugen befragt und die Lebensgeschichte des Musikers rekonstruiert. Ergebnis ist eine lesens- und betrachtenswerte Mischung aus Fakten, Fotos und Anekdoten. Ernst Höllerhagen, stellen die beiden Wuppertaler Autoren fest, verbrachte „ein Leben swingend zwischen musikalischen Höhenflügen und Abstürzen im Privaten“. „Wer war der Mensch hinter diesem Musiker?“, fragen sie, ohne abschließende Antworten geben zu können. Höllerhagen war oft verschlossen, in sich gekehrt. Nach privaten Schicksalsschlägen fehlten ihm außerhalb der Musik die Ankerpunkte, sodass er in Depressionen verfiel und sich im Exil das Leben nahm. Darüber war Hazy Osterwald am meisten betrübt, wie er einleitend den Autoren erzählt. Er spielte mit Höllerhagen lange in einer Band, freundete sich mit ihm an. „Er war stets zur Stelle, nie launisch, nie unzuverlässig, er stand immer auf seinem Posten“, erinnert sich der Entertainer und langjährige Weggefährte.
Höllerhagens Karriere verlief recht rasant, bis sie mit 44 Jahren ein frühes Ende fand. Sie begann noch vor der Volljährigkeit: Mit 13 verdiente er sich sein Taschengeld als Kinomusiker, vier Jahre später studierte er am Kölner Konservatorium. Nach Tingeltangel-Jahren und Kintopp-Engagements spielte der Wuppertaler in verschiedenen Tanzkapellen. Als er Sam Wooding hörte, der in den frühen 1930er Jahren den authentischen Jazz nach Europa brachte, hatte Höllerhagen, wie er bekannte, „die Luft des wahren und großen Jazz geatmet“. Nur in Berlin konnte er ihn spielen, allen Widrigkeiten zum Trotz. 1936 kam Höllerhagen zu Teddy Stauffer, der ebenfalls in Berlin lebte. Der Schweizer Orchesterchef nahm Höllerhagen mit in seine Heimat, wo sie 1941 bis 1946 gemeinsam im aus Berlin „ausgelagerten“ Orchester spielten. Danach leitete Höllerhagen bis 1948 sein eigenes Quartett, bis er sich Hazy Osterwald anschloss.
Mit dieser Biografie, die auch eine ausführliche Diskografie enthält, feiern Heiner Bontrup und E. Dieter Fränzel die Wiederentdeckung einer europäischen Swing-Legende. Sie liefert Einblicke in die Goldenen Zwanziger, als der Swing seine Blütezeit erlebte.
Reiner Kobe

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