Mozart, Wolfgang Amadeus
Die Bäsle-Briefe
Interpretiert von Gerti Drassl, inszeniert von Christoph Frühwirth
Geschmacksache, diese Bäsle-Briefe! Und gemeint sind nicht die Mozartschen Briefe an sich. Längst hat die Musikforschung diese Dokumente überbordenden Witzes und Klamauks, diese Ansammlung von Banalitäten wie gelegentlich ernsthafteren Informationen, dieses Kompendium von Fäkalsprache und Analerotik in den historischen Kontext der Mozart-Zeit gerückt. Und längst ist die Derbheit der Kraftausdrücke als etwas durchaus Normales damaligen gesellschaftlichen Umgangs und als etwas keineswegs Mozart-Originäres entschlüsselt worden.
Nein, Geschmacksache ist diese DVD, die den Mitschnitt einer Produktion des Monodramas Reinsberg präsentiert: Christoph Frühwirth hat in der Burgarena des niederösterreichischen Ortes Reinsberg die berühmten Bäsle-Briefe erstmals dramatisiert, als Ein-Personen-Stück auf die Bühne gebracht. Da, wo sonst Mozarts Opern aufgeführt werden, rezitierte Gerti Drassl die Textdokumente des großen Komponisten. Wobei der Begriff des Rezitierens für diese Bühnendarstellung eigentlich fehl am Platze ist. Denn die Darstellerin, Absolventin des Max Reinhardt Seminars und Nestroy-Preisträgerin, erlebt und durchlebt die Briefe auf der Bühne.
Christoph Frühwirth hat das Umfeld nicht die Dokumente selbst! der Mozartschen Texte aktualisiert: Er verlegt seine Inszenierung in die Seventies, wo ein Groupie, genannt Bäsle, im Partykeller die Erinnerung an eine gemeinsame Zeit mit dem Rockmusiker Amadeus auffrischt und Kassetten abhört bzw. das über Kopfhörer Gehörte vorträgt. Ob der alten Emotionen gerät sie ins Schwärmen, steigert sich in diesen Erinnerungen bis ins Exaltierte und legt ihr Seelenleben auf der Bühne bloß.
Gerti Drassl vermag diese Bäsle-(Kunst)Figur grandios auf der kleinen Bühne der Burgruine lebendig werden zu lassen, alle Höhen und Leidenschaften dem Publikum nahe zu bringen, mal Kaugummi kauend oder einen Joint rauchend, Mozarts Briefe still vortragend, oder überdreht, in gewaltigen Wort-Staccati und Sprach-Eruptionen ins Theater hineinschreiend. Von der Bühne, deren Ausstattung sich auf Kassettenrecorder und ein Ensemble aus Lautsprecherboxen beschränkt, bricht sie immer wieder aus und verlegt ihre Darbietung stellenweise ins Publikum. Ein paar Lichteffekte der Inszenierung lockern den großen Monolog auf.
Mit ihren Wortspielereien und ihrer Drastik, ihrem Klamauk und ihrer merkwürdigen Mischung aus versteckter wie offener sexueller Annäherung an die Cousine Maria Anna Thekla, der Tochter von Mozarts Onkel Franz Alois, kommen Mozarts Briefe natürlich einer Bühnendarstellung, einer Inszenierung entgegen. Hier hat Christoph Frühwirth die Texte überzeugend auf die Bühne gebracht und hier hat vor allem Gerti Drassl eine imponierende schauspielerische Leistung abgeliefert sie bietet großes Theater auf kleiner Bühne. Die Bibliophile Edition hat den Mitschnitt professionell, ohne modischen Making-Off- und Special-Schnickschnack auf eine DVD gebannt. Nur darf man keine historische Einordnung, Erläuterung und Kommentierung dieser Bäsle-Briefe erwarten, der Mozart-Dokumente, die bis vor nicht allzu langer Zeit noch tabu waren. Es ist eben keine Rezitation, sondern eine Inszenierung der Texte. Dass das Eigentümliche, nur heute so Schockierende der Sprache in die Neuzeit verpflanzt, damit im neuen Kontext ihrer Normalität beraubt wurde, ist das Zwiespältige des ganzen Projekts Geschmacksache eben.
Wolfgang Birtel