Wellber, Omer Meir / Inge Kloepfer

Die Angst, das Risiko und die Liebe

Momente mit Mozart

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Ecowin/Benevento Publishing, Salzburg 2017
erschienen in: das Orchester 07-08/2017 , Seite 61

„Ich mag es, dass man Musik aus dem Nichts erschafft, man muss die Menschen ansehen und mit ihnen kommunizieren […] Ich glaube, spontan weise zu sein […] Man muss viel wissen, viel proben und dann versuchen, spontan weise zu sein.“
So sprach der israelische Dirigent Omer Meir Wellber, Jahrgang 1981, während eines Porträts bei Euro News im Oktober 2016. Der charismatische Shootingstar aus Israel wird als einer der talentiertesten Dirigenten seiner Generation gefeiert. Als Fünfjähriger begann er mit Klavier-, Violin- und Akkordeonunterricht, mit neun studierte er zusätzlich Komposition. Seit 2005 dirigiert er regelmäßig an der Israeli Opera in Tel Aviv, 2009 übernahm er als Nachfolger von Lorin Maazel den Posten des Chefdirigenten im Opernhaus Valencia. In den vergangenen Jahren hat Wellber erfolgreich u.a. beim London Philharmonic Orchestra, dem Gewandhausorchester Leipzig, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, dem Bayerischen Staatsorchester sowie dem Pittsburgh Symphony Orchestra debütiert.
So wie viele Hochbegabte sucht Omer Meir Wellber ständig nach neuen Herausforderungen. Er kleidet Mozart-Opern in ein neues Gewand, indem er beispielsweise Rezitative sprechen lässt oder ein französisches Chanson in einen Figaro einschiebt. Im Buch legt er seine Mozart-Sichtweise am Beispiel der drei Opern Don Giovanni, Die Hochzeit des Figaro und Così fan tutte dar, indem er dem Komponisten und sich selbst recht außergewöhnliche Fragen stellt.
Im Prolog erzählt er in flottem Plauderton, wie Mozart und der italienische Dichter Lorenzo da Ponte sich in den 1780er Jahren in Wien drei Mal begegneten, um zusammenzuarbeiten, und in Folge dessen der Operngeschichte eine neue Wendung gaben. Die Klammer bildet der abschließende Epilog, der eine letzte Zusammenkunft des Komponisten und des Dichters im kriegerischen Wien Ende des 18. Jahrhunderts
erfindet. Dazwischen sprechen die drei Hauptkapitel „Die Hochzeit des Figa­ro: ,Risiko‘“, „Don Giovanni: ,Angst‘“ und „Così fan tutte: ,Liebe‘“ von schreienden Don Giovannis, zusammenstürzenden Kulissen, Verführung und Vorsätzen, Treue und Lebenskunst und vielem mehr, das in diesem Zusammenhang überrascht und zu neuen Sichtweisen inspiriert.
Wellber reflektiert, hinterfragt, erörtert und informiert leichtfüßig, mitreißend und unterhaltsam zugleich, weshalb Mozart dieses und jenes genau so darstellte und nicht anders; weshalb zum Beispiel Figaros Hochzeitstag derart überzeichnet wurde; wie Mozart es anstellte, Menschen musikalisch/psychologisch so auszuleuchten wie nie einer zuvor; inwieweit da Ponte seine Hand da und dort im Spiel hatte.
Er geht auf den Gebrauch von Tonarten zu bestimmten Passagen ein, spricht über die Modernität der Oper und bleibt bei alledem nahbar und authentisch, eben so, wie er auch an seine Dirigate herangeht: unverfälscht und direkt, risikofreudig und versiert, übermütig und anarchistisch und der Musik zutiefst verbunden, wissend und dabei spontan weise.
Kathrin Feldmann